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Landtechnische Innovationen auf der Agritechnica 2015

Prof. Dr. Karlheinz Köller, Universität Hohenheim, Vorsitzender der Agritechnica-Neuheitenkommission

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Die globale Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten wird angesichts der wachsenden Weltbevölkerung weiter zunehmen. Der sich abzeichnende Klimawandel mit seinen negativen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Nutzflächen, nutzbarer Wasservorräte sowie der globale Trend zur Landflucht und Urbanisierung erhöhen den Druck auf die globale Implementierung einer effizienteren Landbewirtschaftung. Nur mit innovativen Technologien des sogenannten Precision Farming lassen sich die genannten globalen Forderungen meistern. Die Landtechnikbranche festigt ihre Schlüsselstellung als entscheidender Faktor im Rahmen globaler Ernährungssicherung. Wie in den vergangenen Jahren, so ist auch auf der diesjährigen Agritechnica ein Feuerwerk landtechnischer Innovationen zu erwarten. Die 311 eingereichten Anmeldungen zum Agritechnica-Medaillenwettbewerb sind Ausdruck der ungebrochenen Innovationskraft der Landmaschinenindustrie, die immer wieder zur Entwicklung faszinierender Technik führt und nicht nur die Ausstellungsbesucher begeistert, sondern auch landtechnischen Fortschritt zum Wohle der Landwirtschaft und Gesellschaft in die Praxis trägt. Mit 4 Gold- und 44 Silbermedaillen hat die Agritechnica-Neuheitenkommission herausragende agrartechnische Innovationen ausgezeichnet.

Auch in diesem Jahr setzt sich der Trend zur weiteren Automatisierung von Prozessen, verbunden mit intelligenten Datenmanagement-Systemen zur Optimierung der Regelung und Steuerung von Maschinen, Logistik, Dokumentation, Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit fort. Weiterentwicklungen in den Bereichen Elektronik, Sensorik und Software sind Bestandteil fast aller Anmeldungen. Aus diesem Grunde werden sämtliche Innovationen aus diesem Bereich in diesem Beitrag den jeweiligen Fachgebieten (Traktoren, Bodenbearbeitung usw. …) zugeordnet und nicht gesondert dargestellt. Analog zur Industrie 4.0 gewinnt auch die Digitalisierung und Vernetzung der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette zunehmende Bedeutung. Cloud Computing und BigData sind mittlerweile auch in der Agrarwirtschaft feste Begriffe.

Die Agritechnica 2015 ermöglicht wieder ein faszinierendes Erleben modernster Landtechnik, auf dem Weg zur weiteren Digitalisierung und Vernetzung über rasante Fortschritte in der Elektronik, Sensorik und in der Farm-Management-Software bis hin zur Datencloud im Internet. Steigende Anforderungen in den Bereichen Datenschutz, Datensicherheit und Datenhoheit sind die Kehrseite dieser Entwicklung, die aber auch wieder innovative Energien freisetzen.

Traktoren

Die Erfüllung der neuen Euro-Abgasgrenzwerte hat die Entwicklungsbudgets der Traktorenhersteller zu Lasten landwirtschaftlich relevanterer Innovationen signifikant eingeschränkt. Trotzdem gibt es auf der Agritechnica 2015 auch bei Traktoren wieder eine Fülle interessanter und nützlicher Neu- und Weiterentwicklungen zu sehen, sei es bei Motoren, Getrieben, Fahrwerken, Kabinen und natürlich in dem entsprechend weiter zunehmenden Einsatz von Software, Sensorik, Assistenzsystemen und elektrischen Antrieben mit dem Trend zur weiteren Automatisierung des Systems Traktor-Anbaugerät.

Mit dem Fendt 1000 Vario stellt die Firma AGCO-Fendt ein neues Standardtraktorensegment im Bereich von 400 bis 500 PS vor mit überzeugenden Weiterentwicklungen des bewährten Antriebskonzeptes mit einem neuen, intelligenten und variabel geregelten Allradantrieb sowie einem integrierten Assistenzsystem für eine optimale Ballastierung und Reifendruckeinstellung. Beide Innovationen wurden mit je einer Silbermedaille bedacht. Dieser Beitrag zur Förderung der Bodenschonung und Effizienz wird noch übertroffen durch eine absolut neuartige Entwicklung zur Regelung des Reifeninnendruckes über einen zusätzlich integrierten Innenreifen, der eine Reduzierung des Luftvolumens des Außenreifens ermöglicht und gleichzeitig als Druckspeicher dient. Die Regelung des Luftdruckes erfolgt über eine integrierte Sensorik und Ventiltechnik. Diese herausragende Innovation der Firma AGCO-Fendt wird mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Neben zahlreichen Assistenzsystemen zur Entlastung des Fahrers sei beispielhaft das John Deere iTEC AutoLearn System genannt, ein Vorgewende-Managementsystem, das erstmalig in der Lage ist, den Bedienungsablauf und Aktionen des Fahrers (z.B. am Vorgewende) automatisch zu lernen. Dabei erkennt es nützliche, wiederverwertbare Befehlssequenzen und schlägt diese zur Abspeicherung im Bordcomputer vor. Eine Innovation, die mit einer Silbermedaille bedacht wurde. Zwei weitere Silbermedaillen erhielt John Deere für ein Ballast-System, das eine perfekte Ballastierung des Traktors innerhalb weniger Sekunden aus der Kabine heraus ermöglicht, ohne einen Anbauraum zu blockieren sowie für einen intelligenten Allradantrieb, der in Abhängigkeit der Achslasten und des Radschlupfes die Zugkraftverteilung automatisch optimiert und sich je nach Bedarf an- bzw. abschaltet. Spezielle optische Systeme, wie z.B. ein 360 Grad 3D-Kamerasystem, ermöglichen dem Fahrer großer Landmaschinen, ob Traktor oder Mähdrescher, eine bisher nie dagewesene Rundumsicht über das Fahrzeug, ob beim Transport, beim Arbeiten auf dem Feld oder Manövrieren auf dem Hof, verbunden mit einem herausragenden Beitrag zur Förderung der Arbeitssicherheit. Für dieses und vergleichbare Systeme gab es jeweils eine Silbermedaille für John Deere, AGCO-Fendt und Same Deutz Fahr.

Bodenbearbeitung

Für jede Aufgabe, ob Stoppelbearbeitung, Grundbodenbearbeitung oder Saatbettbereitung gibt es ein umfangreiches Angebot an bewährter Technik. Ob Kurzscheibenegge für die erste flache Bearbeitung nach der Ernte, Grubber als Universalgerät für die Stoppel- und Grundbearbeitung oder Pflüge für das Wenden des Bodens, in sämtlichen Gerätegruppen gibt es eine Fülle von Detailverbesserungen. Auch in der Bodenbearbeitungstechnik gehen Weiterentwicklungen zunehmend in Richtung automatischer GPS- und ISOBUS-gesteuerte Regelungen. Beispielhaft seien hier entsprechende Lösungen der Firmen John Deere, Lemken und Väderstad genannt, die jeweils mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurden.

Bisher werden Bodenbearbeitungsgeräte in der Regel mithilfe von Steuergeräten hydraulisch verstellt, z.B. in der Arbeitstiefe, teilweise erfolgt auch eine elektrische Ansteuerung dieser Funktionen. Das von John Deere entwickelte TruSet TM Gerätesteuerungssystem ermöglicht erstmals die Steuerung, Kontrolle und Kalibration aller Werkzeuge einer Bodenbearbeitungskombination über den zentralen ISOBUS-Monitor in der Kabine. Eine weitere Neuerung ist die Autokompensationsfunktion der einzelnen Werkzeuge. Musste man bisher jede Funktionseinheit separat verstellen, passen sich jetzt bei der Verstellung einer Werkzeugeinheit (Scheibenegge) alle anderen Einheiten (Grubber, Packerwalze, Striegel) automatisch an. Die Einstellungsprofile lassen sich während der Fahrt schnell an unterschiedliche Einsatzbedingungen anpassen, entlasten den Fahrer und helfen Einstellfehler zu vermeiden.

Bei Aufsatteldrehpflügen entsteht durch die Konstellation zweier fixer Zugpunkte, des Tranktors und des Pfluges, eine in ihrer Lage und Ausrichtung nicht beeinflussbare Traktor-Pflug-Zuglinie. Zur Mitte der Hinterachse entsteht ein Drehmoment um die Hochachse des Traktors mit der Folge von Seitenzug an der Vorderachse, zu schmaler Vorderfurchenbreite und erhöhtem Kraftstoffverbrauch. Durch das neu entwickelte System zur Zugpunkteinstellung mittels Hydraulikvorspannung werden die Traktor Pflug-Zuglinie in Richtung Traktorhinterachsmitte verschoben und der Seitenzug reduziert. Weil kein Seitenzug mehr existiert, entfällt das Gegenlenken, was zu einer deutlichen Entlastung des Fahrers und zu einer Minderung des Kraftstoffverbrauches führt.

Der Väderstad GYRO-Sensor (Bewegungssensor) macht es möglich, Werte in Echtzeit zu erfassen und Signale zur Einstellung der Maschine an den Rechner zu übermitteln. Dieser regelt eigenständig die optimale Einstellung der Maschine. So stellt sich das CrossBoard (Planierschiene) über Drucksensoren selbständig ein, so dass es immer gleichviel Boden vor sich herschiebt. Einebnungseffekt und Dieselverbrauch werden damit optimiert. Weiter wird durch Messen des Winkels zwischen Deichsel und Maschinenrahmen die Werkzeugeinheit automatisch parallel zur Bodenoberfläche eingestellt.

Auch wenn der Pflug, besonders in Deutschland und Westeuropa, noch seinen festen Platz (und auch seine Berechtigung) hat, gewinnen Bodenbearbeitungs- und Bestellverfahren ohne Pflug weiter an Bedeutung, überwiegend basierend auf dem Einsatz von Grubbern und mulchsaattauglichen Sämaschinen. Regional finden Verfahren zur Streifenbearbeitung (Strip-Till) zunehmendes Interesse, bevorzugt im Maisanbau in Verbindung mit gleichzeitiger Applikation von Flüssigmist. Direktsaat, also konsequenter und permanenter Verzicht auf jegliche Bodenbearbeitung bleibt, zumindest in Deutschland und Westeuropa, wenigen Enthusiasten vorbehalten, könnte aber mit zunehmendem Zwischenfruchtanbau („Greening“) auch hier an Bedeutung gewinnen.

Sä- und Düngetechnik

Entwicklungen in der Sä- und Düngetechnik sind gekennzeichnet durch eine weitere Steigerung der Effizienz und Präzision bei der Applikation hochpreisiger Betriebsmittel. Bei steigenden Kosten für Saatgut und Mineraldünger sowie steigenden Umwelt- und Wasserschutzauflagen gewinnen präzises Dosieren und Verteilen zunehmende Bedeutung. Ohne elektronische Steuer- und Regeleinrichtungen, unterstützt durch intelligente Software, lassen sich die steigenden Anforderungen an Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit und Dokumentation nicht erfüllen.

Drilltechnik

Elektrisch angetriebene Dosiersysteme, Durchfluss-Sensoren in Saatleitungen, GPS-gesteuerte Fahrgassenschaltungen, Section Control Systeme, Mehrtankmaschinen zur gleichzeitigen Ausbringung von Mineraldünger oder zusätzlichen Saatgütern sind mittlerweile Stand der Technik. Beispielhaft für Innovationen in diesem Bereich werden die zwei folgenden bemerkenswerten Neuentwicklungen präsentiert. "GPS-Switch mit AutoPoint" für Sämaschinen (Amazonenwerke) ermöglicht bei pneumatischen Sämaschinen ein perfektes Säbild am Vorgewende. Ein Sensor detektiert den Förderbeginn des Saatguts direkt am Schar, die Maschinensteuerung berechnet daraus automatisch den optimalen Zeitpunkt für Start und Stopp der Dosierung am Vorgewende. Ein Assistenzsystem leitet den Fahrer an, ein für das automatische Schalten abgestimmtes, optimales Fahrverhalten zu entwickeln. Höhere Flächenleistungen, Einsparungen an Saatgut und eine deutliche Entlastung des Fahrers sind die Vorteile dieser Lösung, die mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.

Bei der automatischen Abdrehprobe von Lemken erfolgt eine Saatmengenkalibrierung über eine Bypassverwiegung des Saatgutes für die Dosiereinheit der Sämaschine.

Bei der automatischen Abdrehprobe stellt sich die Dosiereinheit vollkommen selbständig ein. Der Bediener muss lediglich notwendige Parameter wie Aussaatmenge, Kornzahl/m², TKM (Tausendkornmasse) und die maximale Geschwindigkeit eingeben und dann den Prozess Kalibrierung starten. Mit Start des automatischen Abdrehvorganges beginnt die Dosierung zu arbeiten und über einen Bypass wird das Saatgut von allen Dosiereinheiten in eine Wiegezelle gefördert. Das Saatgut wird nach der Wiegung und Übertragung des Gewichtes in das System automatisch wieder in den Saatgutbehälter entleert. Der Bediener muss nun die Wiegezahl und die mögliche Arbeitsgeschwindigkeit bestätigen und kann mit der Aussaat beginnen. Die bisher übliche, aufwändige manuelle Abdrehprobe entfällt. Auch für diese Innovation wurde eine Silbermedaille vergeben.

Einzelkornsaat

Die Entwicklung bei Einzelkornsämaschinen war in den vergangenen Jahren besonders geprägt durch Verbesserungen der Vereinzelungstechnik, die auch bei höheren Arbeitsgeschwindigkeiten bis zu 20 km/h eine hohe Ablagegenauigkeit gewährleisten.

Mit der Infield-Automatisierung der ExactEmerge präsentiert John Deere ein neuartiges Qualitätssystem mit höchster Arbeitsqualität in der Hochgeschwindigkeits-Einzelkornsaat. Es werden völlig neue Wege in der sensorbasierten Überwachung, Steuerung und Dokumentation des Aussaatprozesses beschritten. Neue Automatisierungslösungen perfektionieren die Kornverteilung und Ablagequalität unter wechselnden Einsatzbedingungen.

Das vorgestellte Qualitätssicherungssystem umfasst alle für die Saatablage relevanten Parameter, so dass auch bei hohen Geschwindigkeiten bis zu 16 km/h optimale Aussaatqualität und Kornverteilung sichergestellt werden. Dabei werden die Prozessdaten aufgezeichnet und sind jederzeit – online und offline – abruf- und visualisierbar. Durch die Kombination mit Lenksystem (AutoTrac) und Vorgewendeautomatisierung (iTEC Pro) laufen alle Maschinenoperationen auf dem Feld vollautomatisch ab. Es sind keine manuellen Eingriffe während der Feldarbeit mehr erforderlich (Infield-Automatisierung). Die hierfür notwendigen Steuerungssequenzen auf dem Traktor werden durch das Verbinden des Geräts über den ISOBUS selbsttätig aktiviert. Der Fahrer kann sich ganz auf die Überwachung der Aussaat konzentrieren. Auch diese Lösung wird mit einer Silbermedaille bedacht.

Düngetechnik

Gleichmäßiges Dosieren und Verteilen des Düngers sowie präzises Randstreuen an Feldgrenzen, unter Beachtung der Vorgaben der neuen Düngeverordnung, ist dank GPS- und ISOBUS-gesteuerter Applikationstechnik für technologisch führende Maschinenhersteller heute Stand der Technik. Trotzdem gibt es auch im Bereich der Mineraldüngetechnik innovative Weiterentwicklungen, nicht nur für die Applikation, sondern auch für die Kontrolle der Streuqualität auf dem Feld.

Eine bisher nicht bekannte Lösung, die weit über eine spezifische Maschinenoptimierung hinausgeht, wird von John Deere in Zusammenarbeit mit den Firmen Land Data Eurosoft, VISTA, Rauch und Sulky vorgestellt und mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. „Connected Nutrient“ Management ist ein benutzerfreundliches, optimiertes Nährstoffmanagementsystem zur bedarfsgerechten und präzisen N- und P-Applikation von organischen sowie mineralischen Düngern. Das System erlaubt die Planung und Optimierung als gesamtheitliche Betrachtung von Ernte zu Ernte und bindet Technologien zur zielgenauen Düngerapplikation ein. Daten, Wissen und Schlüsseltechnologien der Innovationspartner werden intelligent miteinander verknüpft, um dem Anwender eine agronomisch optimierte, sowie düngeverordnungskonforme, teilschlagspezifische Nährstoffapplikation zu ermöglichen.

Das vorgestellte System integriert innovative Lösungen der Firmen John Deere, Land Data Eurosoft, VISTA, Rauch und Sulky in einer völlig neuen Gesamtheit. Sie erlaubt dem Landwirt höhere Präzision in der organischen und mineralischen Düngeplanung und Düngeanwendung, Kostenreduktion, Ertragsoptimierung in Quantität und Qualität sowie die gleichzeitige Einhaltung verschärfter Düngeregularien bei feldspezifischer Dokumentation. Es wird erstmals möglich, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat im Teilschlag exakt zu bestimmen, zu applizieren und zu dokumentieren, unabhängig davon, ob organische und/oder mineralische Düngemittel eingesetzt werden. Die optimale Nährstoffverteilung pro Teilschlag und Vegetationszeitpunkt ermöglicht eine höhere Nährstoffeffizienz und gleichzeitig optimierte Nährstoffbilanzen. Eine vergleichbare integrierte Lösung mit einem Höchstmaß an Kundennutzen und gleichzeitig proaktiver Berücksichtigung des Umweltschutzes und gesetzlicher Auflagen hat es bisher nicht gegeben.

Mit „EasyCheck“ präsentieren die Amazonenwerke einen digitalen mobilen Prüfstand zur Bestimmung der Querverteilung von Zentrifugaldüngerstreuern mit einer Smartphone-App und Auffangmatten. Die Düngerkörner werden mit flexiblen, leicht zu transportierenden Haftmatten aufgefangen, dann mit dem Smartphone fotografiert und über Bildverarbeitung in einer Smatphone-App ausgewertet, um daraus automatisch die optimale Einstellung zu errechnen. Mit dem digitalen mobilen Prüfstand EasyCheck benötigt der Landwirt nur etwa ein Viertel der Zeit, die er für die Anwendung eines Schalen-Prüfsets hätte aufwenden müssen. Abgesehen davon kann der digitale mobile Prüfstand in der Traktorkabine mitgeführt werden und bietet somit einen erheblichen arbeitswirtschaftlichen und organisatorischen Vorteil. Mit dieser neuen, weltweit einzigartigen und konkurrenzlos preiswerten Technik wird sich die Akzeptanz der Überprüfung der Querverteilung im Feld deutlich erhöhen und damit zu einer weiten Verbreitung führen. Vor dem Hintergrund der neuen Düngeverordnung wird Nutzen für den Kunden und die Umwelt generiert. Eine einfache, aber höchst innovative Lösung, die eine Silbermedaille erhält.

Pflanzenschutztechnik

Übergeordnetes Ziel der Pflanzenschutztechnik ist und bleibt eine präzise Applikation möglichst geringer Aufwandmengen unter Einhaltung geltender gesetzlicher Vorgaben, verbunden mit maximaler biologischer Wirksamkeit. Diese relativ einfach klingenden Zielvorgaben lassen sich nur erfüllen durch eine „intelligente“ Pflanzenschutztechnik mit einem Höchstmaß an anspruchsvoller Elektronik, Sensorik und Software. An zwei Beispielen sei diese Entwicklung exemplarisch dargestellt.

„Connected Crop Protection und Pflanzenschutz-Anwendungs-Manager“ (John Deere, BASF, ISIP, ZEPP, KTBL, JKI) ist ein intuitives Entscheidungsunterstützungssystem zur zielorientierten, termingerechten und präzisen Applikation von Pflanzenschutzmitteln. Die Innovationspartner integrieren auf einzigartige Weise Schlüsseltechnologien für Pflanzenschutzempfehlungen, Fahrerunterstützung bei Befüllung der Spritze und Ausbringung im Feld unter automatisierter Berücksichtigung von Abstandsauflagen sowie deren lückenloser Dokumentation. Daten, Wissen und Werkzeuge der Innovationspartner werden intelligent miteinander verknüpft, um dem Anwender eine agronomisch optimierte sowie rechtskonforme teilflächenspezifische Pflanzenschutzapplikation zu ermöglichen.

Dieses System besteht aus zwei wesentlichen, sich ergänzenden Entwicklungen, welche einen echten Mehrwert für den Anwender generieren. Ein wichtiges Element ist die Bereitstellung von maschinenlesbaren Abstandsauflagen, berechnet mittels der Services von ISIP, KTBL, JKI und ZEPP, und die präzise und automatische Ausbringung sowie die Dokumentation durch BASF und John Deere sowie deren Partner. Der zweite Punkt ist die automatisierte Pflanzenschutzempfehlung von BASF und John Deere, ebenfalls bereitgestellt auf elektronischem Wege und sofort im System nutzbar. Zurzeit existiert kein vergleichbares System am Markt, was diesen komplexen Sachverhalt auf eine derart einfach gehaltene Systemintegration umfassend unterstützt.

Ein Höchstmaß an Kundennutzen, verbunden mit einem substantiellen Beitrag zum Umwelt- und Wasserschutz und damit folgerichtig prämiert mit einer Goldmedaille.

„AmaSpot“ (Amazonen-Werke) – ein intelligentes Sensor-Düsen-System zur Reduktion von Aufwandmengen im Pflanzenschutz kann grüne Pflanzen vom Boden unterscheiden und punktgenau Herbizide applizieren. Das System ermöglicht z.B. die Glyphosat-Ausbringung zielgenau allein auf die Pflanze und führt so zu Mitteleinsparungen zwischen 20 bis 80 Prozent. Dank modernster Infrarot-Sensorik, ultraschneller Pulsweitenmodulation und abdriftarmer Düsentechnik werden Grünpflanzen quadratzentimetergenau behandelt – und das Tag und Nacht bei Geschwindigkeiten bis 20 km/h. Für diese Innovation erhalten die Amazonen-Werke eine Silbermedaille.

Bodenbearbeitung, Saat, Düngung, Pflanzenschutz

Neue Entwicklungen in der Bodenbearbeitungstechnik tragen dazu bei, den Boden nachhaltig gegen Erosion und Verdichtung zu schützen. Innovationen in der Sätechnik tragen dazu bei, Potentiale der Pflanzenzüchtung zur Ertragssteigerung, standortspezifisch zu optimieren. Die signifikanten Verbesserungen bei der Applikation von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln schließlich realisieren einen signifikant verbesserten ressourcen- und umweltschonenden Einsatz dieser Mittel. Die Entwicklung in den genannten Bereichen wurde früher eher isoliert betrachtet. Zunehmend zeigt sich, dass professionelle Landwirte die genannten Bereiche und Entwicklungen im System betrachten. Die Wahl des Bodenbearbeitungsverfahrens bestimmt die folgende Sätechnik und damit die adäquate Düngungs- und Pflanzenschutzstrategie. Diese Systembetrachtung wird von der Landmaschinenindustrie angegriffen und mit Hilfe innovativer Weiterentwicklungen in den Bereichen Elektronik, Sensorik und Software den Anforderungen der Praxis angepasst. Erste Beispiele derartiger integrierter, mit Medaillen ausgezeichneter Lösungen sind auf der Agritechnica zu sehen.

Getreideerntetechnik

Zur Agritechnica 2015 werden die Mähdrescherhersteller vor allem Weiterentwicklungen zur Steigerung der Effizienz ihrer Maschinen vorstellen, neben typenspezifischen Veränderungen der Dresch- und Abscheidetechnik sowie der Fahrwerks- und Antriebstechnik vor allem Techniken zur Prozessregelung innerhalb des Mähdreschers sowie zur Prozessoptimierung des Mähdreschereinsatzes. Dieser Trend sei beispielhaft an fünf Lösungen der Firmen Claas und John Deere dargestellt, die jeweils mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurden.

Claas wird für die Lexion-Rotor-Mähdrescher erstmalig ein System zur Vermeidung von Verstopfungen vorstellen. Alle bisherigen Ansätze, wie das Reversieren von Rotoren, haben die einfache Beseitigung von Verstopfungen zum Ziel. Die automatische Gutflusskontrolle soll dagegen vor Verstopfungen schützen. Werden z. B. das Dreschwerk und/oder die Rotoren entsprechend belastet, so erhält der Fahrer je nach Verstopfungsrisiko nicht nur eine Warnung, sondern der Mähdrescher reduziert automatisch die Fahrgeschwindigkeit, wenn der Durchsatzregler aktiviert wurde. Wird die Maschine über den Grenzwert hinaus belastet, so wird das Schneidwerk per Schnellstopp ausgeschaltet. Die automatische Gutflusskontrolle erlaubt den Einsatz am Leistungslimit und reduziert mögliche Reparaturkosten, die sonst durch Verstopfungen entstehen können.

Zur höheren Einsatzsicherheit am Seitenhang dient das neue 4D-System von Claas. Die bisher zur Leistungsoptimierung genutzten Rotorkorb-Verschlussklappen werden um ein drittes Segment ergänzt. Die Klappen jedes Segmentes lassen sich hälftig getrennt öffnen und schließen. Abhängig von den Werten der elektronischen Wasserwaage am Seitenhang werden sie derart angesteuert, dass sie das abgeschiedene Material bergseitig auf den Rücklaufboden leiten. Dadurch wird verhindert, dass die Reinigung vom Rücklaufboden talseitig mit mehr Material beschickt wird – die Reinigung wird talseitig nicht mehr so stark belastet und arbeitet bei höheren Durchsätzen noch ohne Verlustzunahme.

„Integrated Combine Adjustment (ICA2)“ nennt John Deere sein neues System zur Einstelloptimierung. Kern dieses neuen Systems sind zwei Kameras im Körner- und im Überkehrelevator. Beide Kameras leiten die Bildsignale zum Computer und zum Bildschirm in der Kabine. Ist der Fahrer mit der vorhandenen Arbeitsqualität einverstanden, speichert er diese als Sollwert. ICA2 vergleicht nun ständig die aktuellen Bilder der beiden Kameras mit den Sollwertbildern. Stimmen Ist- und Sollwert nicht überein, wird die entsprechende Mähdreschereinstellung automatisch korrigiert. John Deere hat als erster Hersteller sogar die Rotordrehzahl und die Dreschspaltweite in die Regeltechnik einbezogen und somit auch die direkten Maßnahmen zur Beeinflussung der Kornqualität automatisiert. Eine Einstellliste zeigt dem Fahrer, wann welche Einstellung vollzogen wurde, um das Arbeitsergebnis des Mähdreschers beizubehalten. Dieses bisher einzigartige System zur Optimierung aller Non-Stop-Einstellungen des Axialrotor-Mähdreschers ist ein weiterer Beleg für den Trend, Erntemaschinen zunehmend mit maschinengestützter Intelligenz und Regeltechnik auszurüsten bzw. Prozesse zu automatisieren.

Die Technik von Ertragsmesseinrichtungen ist seit vielen Jahren nahezu unverändert. Eine interessante Weiterentwicklung präsentiert John Deere mit dem System „Active Yield“, das die Kalibrierung automatisiert. Im Kornbunker befinden sich drei Wiegeplatten. Diese messen die Vertikalkräfte des zunehmenden Bunkerinhalts, und der Prozessor vergleicht sie mit den vom Ertragsmesssystem gemessenen Werten. Unter Einbeziehung der Kornfeuchtedaten wird ein Kalibrierwert für das Ertragsmesssystem berechnet und somit kontinuierlich seine Genauigkeit auf etwa +/- drei Prozent Abweichung vom tatsächlichen Ertrag gehalten. Diese Entwicklung erhöht insgesamt die Genauigkeit der Ertragsmesstechnik am Mähdrescher, weil diese erfahrungsgemäß nicht häufig genug kalibriert wird - auch weil dies oft umständlich ist. Die jetzt genaueren Daten stellen eine sicherere Grundlage für das Precision Farming dar.

Mit dem „GoHarvest Premium Mähdrescher-Simulator“ wird erstmals ein realistischer Mähdreschersimulator mit physischen bzw. haptisch-realen Bedienelementen für ein ganzjähriges Training angeboten. Durch die Verwendung von modernster Software wird eine äußerst realistische Maschinenbedienung und Ernteerfahrung vermittelt. Lernmodule ermöglichen ein gestuftes und wiederholbares Training der Fähigkeit mit zunehmender Komplexität.

Der zukünftig beim Händler stehende oder mietbare Simulator erlaubt das Üben von Rangier- und Koppelvorgängen (Erntevorsatz) bis hin zur eigentlichen Erntearbeit und Mähdreschereinstellung. Ziel des Trainings ist es, die Bedienung der zunehmend größer und teurer werdenden Mähdrescher zu professionalisieren und zu perfektionieren.

Zuckerrübenerntetechnik

Der selbstfahrende Köpfrodebunker – meist 6- und 9-reihig, selten auch 12-reihig – setzt seinen Siegeszug weltweit fort. Spurversetztes Fahren in Verbindung mit neuester Reifentechnologie oder mit Bandlaufwerk sorgt für ein effizientes, bodenschonendes Ernten. Fortschritte in der Reifentechnologie (mit Reduzierung des Reifenfülldrucks auf 1,4 bar und damit Vergrößerung der Aufstandsfläche) kommen dem Boden zugute. Spurtreue, Seitenhangtauglichkeit und Gewichtsverteilung auf die Achsen sind in Kombination mit neuen ausgefeilten (hydraulischen) Fahrwerkskonzepten verbessert. Die Minimal-Köpfung mit modifiziertem Entblatten (Verbindung von Gummi- und Stahl-Schlegeln) löst den klassischen Köpfer mit tief arbeitendem Blatt-Häcksler ab. Ein neues Fahrwerkskonzept zur Minderung des Bodendruckes hat die Firma ROPA in Zusammenarbeit mit Michelin entwickelt („R-Soil Protect“). Rübenroden mit 1,4 bar Reifenfülldruck und das in allen Rädern war noch vor fünf Jahren in dreiachsigen Maschinen undenkbar. ROPA und MICHELIN haben dafür die Basis im neuen ROPA Tiger 5 geschaffen. Erstmals wurde ein neues dreiachsiges, vernetztes Fahrwerkssystem mit hydraulischem Lastausgleich auch am Seitenhang (bis 10 Prozent Neigung) geschaffen und auf den neuen, großvolumigen CerexBib IF 1000/55 R32 von Michelin angepasst. Lastspitzen auf einzelnen Achsen/Rädern werden damit gerade im unebenen Gelände vermieden. Die Masse wird auf eine größere Aufstandsfläche (bis zu 49 Prozent mehr auf den Hinterrädern) – ähnlich einem Bandlaufwerk - verteilt. Minimierung des Kontaktflächendruckes der Räder/Reifen vor allem auf den Hinterachsen (ca. 33 Prozent weniger) bedeutet mehr Bodenschutz für eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Dieses innovative Konzept wird mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

Futtererntetechnik

Beste Futterqualität ist das oberste Ziel der Futtererntetechnik. Voraussetzungen hierzu sind leistungsstarke Ernteverfahren, die ein Höchstmaß an Arbeitsqualität mit maximaler Effizienz verbinden. Basierend auf schlagkräftiger Mäh- und Aufbereitungstechnik ermöglichen sowohl Ladewagen, Ballenpressen als auch Häcksler ein, auf die jeweiligen betrieblichen Bedingungen abgestimmtes, optimales Ernteprodukt. Auch in diese Maschinen haben auf breiter Basis elektronik- und sensorgestützte Assistenzsysteme Einzug gehalten. Daneben gibt es aber auch zahlreiche bemerkenswerte, maschinentechnische Weiterentwicklungen, sei es bei Ladewagen, Ballenpressen oder Häckslern, für die insgesamt sechs Silbermedaillen vergeben wurden. Darüber hinaus wurden zwei herausragende Innovationen mit Gold honoriert.

Mobiler Pellet-Vollernter

Mit „Premos5000“ präsentiert die Firma Krone einen mobilen Pellet-Vollernter, mit dem es erstmals möglich ist, die Halmfutterernte und Pelletierung auf dem Feld mit einer Maschine zu realisieren. Das aus dem Schwad mittels Pickup aufgenommene Halmgut wird mit zwei ineinander greifenden Matrizenwalzen ohne zusätzliche Vorzerkleinerung zu Pellets mit einem Durchmesser von 16 mm gepresst. Neben dem Einsatz auf dem Feld ist auch eine stationäre Verwendung möglich. Der erforderliche Leistungsbedarf beträgt bei einem Durchsatz von 5t/h etwa 300 kW. Die Pellets eignen sich als Brennstoff, als Futter und als Einstreu und ermöglichen als fließfähiges Gut einen hohen Automatisierungsgrad bei vergleichsweise geringem spezifischen Energiebedarf. Abgesehen von den landwirtschaftlichen Halmgütern gibt es eine breite Palette vergleichbarer pflanzlicher Reststoffe, die sich mit diesem Verfahren höchst effizient einer stofflichen oder energetischen Verwertung zuführen ließen. Ein weites Feld mit großartigen Perspektiven für diese herausragende Innovation.

John Deere ProCut

Mittels zweier induktiver Sensoren in der Gegenschneide der Häckseltrommel werden im Betrieb berührungslos der Abstand zu den Häckselmessern und die Messerschärfe gemessen. Beide haben wesentlichen Einfluss auf die Häckselqualität und den Kraftstoffverbrauch des Häckslers. Die vorgestellte Lösung ist das einzige System am Markt, das eine direkte und permanente Messung der Messerschärfe und des Gegenschneideabstandes ermöglicht und dem Fahrer über ein Assistenzsystem den richtigen Zeitpunkt zum Messerschleifen und Nachstellen der Gegenschneide anzeigt, verbunden mit dem Vorteil gleichbleibender Häckselqualität und einem Potenzial zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauches. Eine überzeugende Innovation mit signifikantem Kundennutzen.

Schlussbemerkungen

Komplexe Produkte, wie die auf der Agritechnica ausgezeichneten Landmaschinen, fertigen sich nicht von selbst, werden auch nicht von autonomer Roboterhand generiert, sondern von Menschen. Ohne gut ausgebildete Forscher, Ingenieure und Mitarbeiter können keine Innovationen entstehen. Sie werden auch die technischen Probleme rund um die Industrie 4.0 lösen zum Nutzen für die Landwirtschaft 4.0, in der der Landwirt mit Hilfe intelligent vernetzter Computertechnik und Cloud Computing nicht nur seinen Maschinenpark präzise steuert, sondern sein gesamtes Betriebsmanagement virtuell abbilden kann. Ohne fundierte Konzepte bezüglich Datenhoheit, Datenschutz und Datensicherheit und damit verbundener Rechtssicherheit auf Hersteller-, Händler- und Anwenderseite bleibt die beschriebene intelligent vernetzte Agrarwirtschaft in der breiten Praxis allerdings mehr Wunsch als Realität.

Quelle: DLG