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Deutschland braucht die Rohstoffwende

Um Rohstoffe in Zukunft verantwortlich zu fördern, weiterzuverarbeiten und zu nutzen, braucht es konkrete, umfassende und rohstoffspezifische Nachhaltigkeitsziele. Diese müssen ökologische und soziale Herausforderungen gleichermaßen berücksichtigen. Bislang wurde fast ausschließlich der ökonomische Faktor Verknappung bei der Strategieentwicklung für Rohstoffe beachtet; das Öko-Institut fordert jedoch einen umfassenderen Blick.

In einem ersten Policy Paper zum Projekt „Deutschland 2049 – Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft“ beschreibt das Institut am Beispiel der Nachfrage Deutschlands die zum Teil gravierenden sozialen und ökologischen Auswirkungen von Förderung, Aufbereitung und Verarbeitung von Rohstoffen im In- und Ausland. Für besonders negative Folgen, so genannte „High Impacts“, leiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rohstoffspezifische Ziele ab, die je nach Herausforderung Maßnahmen und Änderungen auf der Angebots- bzw. der Nachfrageseite bewirken.

Von Kies bis Kobalt – ein Indikator reicht nicht aus

Die Vielfalt der nachgefragten Rohstoffe schlägt sich in völlig unterschiedlichen Problemlagen und damit sehr unterschiedlichen sozialen und ökologischen Herausforderungen nieder. So wird beispielsweise ein Massenbaustoff wie Kies nahezu vollständig im Inland gefördert. Eine gravierende Folge davon ist die fortlaufende Flächeninanspruchnahme, die zum Teil auch vor Bannwald nicht Halt macht. Für das Technologiemetall Neodym hingegen besteht ein großes Umweltrisiko in den radioaktiven Rückständen bei der Primärgewinnung – in erster Linie im Hauptförderland China. Für Kobalt wiederum liegt eine Herausforderung in der sozialen Kategorie Kinderarbeit & Arbeitssicherheit, da rund 30 Prozent des weltweit abgebauten Metalls im artisanalen Kleinbergbau (in Zentralafrika) gefördert wird.

Diese Beispiele zeigen, dass ein einziger Indikator als Messgröße für Entwicklungen und Erfolge einer nachhaltigen Rohstoffpolitik nicht ausreichen kann. „Nur eine echte Rohstoffwende kann die negativen ökologischen und sozialen Folgen auf breiter Front reduzieren. Dafür müssen wir rohstoffspezifische Ziele und maßgeschneiderte Strategien zu deren Erreichung entwickeln und umsetzen“, erläutert Dr. Matthias Buchert, Leiter des Institutsbereichs Infrastruktur & Unternehmen.

„Um beim Beispiel Kies zu bleiben: Für solche Massenrohstoffe sind vor allem mittel- und langfristige Maßnahmen notwendig, die den absoluten Verbrauch dieser nicht erneuerbaren Ressource reduzieren. Anderseits macht für ein Technologiemetall wie Neodym, das in vielen Umwelttechnologien eingesetzt wird und auf diese Weise hilft, andere Ressourcen zu sparen, ein einfacher Mengenreduzierungsansatz keinen Sinn. Vielmehr sind hier gezielte Umweltmaßnahmen in der Primärkette und ein Einstieg in das Recycling wichtige Schritte.“

Nächste Projektphase: Potenzialermittlung über ein Rohstoffwende-Szenario

In der nächsten Phase des Projekts werden die Expertinnen und Experten zum einen die bislang sehr zahlreichen nationalen und internationalen Forschungsarbeiten strukturieren, zusammenführen und weiterentwickeln. Aufbauend auf den entwickelten rohstoffspezifischen Zielen – die immer die negativen Auswirkungen bei der Rohstoffinanspruchnahme verringern sollen – formulieren sie zum anderen rohstoff- und bedürfnisfeldspezifische Maßnahmen  und Instrumente.

Dafür erarbeitet das Öko-Institut ein „Rohstoffwende-Szenario“, in dem die negativen Umwelt- und Sozialauswirkungen durch Maßnahmen auf der Angebots- und Nachfrageseite deutlich sinken sollen. Sie beschreiben geeignete Instrumente wie beispielsweise Vorgaben für eine nachhaltige Primärgewinnung über dynamische Mindeststandards für Umwelt- und Sozialwirkungen (Angebotsseite) oder den Ersatz kritischer Rohstoffe, eine längere Nutzung von Produkten und Infrastrukturen oder eine Ausweitung des Recyclings (Nachfrageseite).