25. März 2021, 10:46
Petr Thiel, CEO LECTURA, hatte die Gelegenheit, in einem Interview mit Bernd Oppold, Partner KPMG, Maximilian Eberle, Manager KPMG und Simon Zimmermann, Assistant Manager KPMG, über Anwendungsfälle von Equipment as a Service (EaaS) in den Bereichen Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Intralogistik und Logistik zu diskutieren.
„Herr Oppold, Herr Eberle, Herr Zimmermann stellen Sie sich doch einmal kurz vor!“
BO: Mein Name ist Bernd Oppold und ich bin Partner in der Financial Service Practice von KPMG Deutschland.
Ich leite u.a. das KPMG-Team für den Aufbau von regulierten Einheiten in der Finanzdienstleistungsbranche. In diesem Zusammenhang haben wir einige interessante Projekte rund um das Thema Equipment as a Service (EaaS) durchgeführt.
ME: Ich bin Max Eberle, Manager in Bernds Strategieberatungsteam und verantwortlicher Projektleiter für EaaS Projekte.
SZ: Mein Name ist Simon Zimmermann, ich bin Experte für Leasingfragestellungen in Bernds Strategieberatungsteam.
„In Ergänzung zu unserem ersten Interview zum Thema Equipment as a Service (LINK), wollen wir heute Ansatzpunkte, Treiber und Use Cases der Branchen Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Logistik und Intralogistik anhand der folgenden Statements diskutieren:
„Wie kann EaaS dem Landwirtschaftssektor helfen die steigende Lebensmittelnachfrage nachhaltig zu erfüllen?“
BO: Globales Wirtschaftswachstum und die Bevölkerungsdynamik führen zu einem weltweiten Anstieg der Lebensmittelnachfrage. Einerseits entsteht hier ein Erlöspotential für die Landwirtschaft und andererseits kann diese erhöhte Nachfrage zu Überproduktion und Preisdruck führen. Smarte Maschinen, High-Precision-Robotics in der Ernte und In-Field-Sensoren werden helfen, Kosten zu senken und den Durchsatz nachhaltig zu erhöhen, um die globale Nachfrage umweltfreundlich und datengetrieben zu bedienen.
Mithilfe von EaaS können dem Endkunden moderne und nachhaltige Landmaschinen flexibel bereitgestellt werden. Zum Beispiel bietet Lindner smarte Traktoren auf einer Pay-per-Use-Basis an. Über IoT-Daten werden Nutzungszeiten und -verhalten analysiert, um zum einen die Landmaschine immer effizienter und ressourcenschonender zu bauen und zum anderen die laufzeitabhängigen Kosten über eine sichere Blockchain zu ermitteln und in Rechnung zu stellen. Der Kunde hat somit flexibel die Möglichkeit seine Liquidität saisonal zu steuern und kann sogar Prepaid-Bezahlverfahren nutzen.
„Welchen Mehrwert erhält eine arbeitsintensive Branche, wie die Baubranche durch den Einsatz von EaaS?“
ME: Eine Möglichkeit den Fachkräftemangel im Bauwesen aufzufangen und operativ Effizienzen zu heben, sind modulare und off-site Baulösungen mithilfe von smarten Maschinen sowie einer smarten Vernetzung von Baustellen und Planungseinheiten.
Mittels IoT-Sensoren ermöglicht zum Beispiel Volvo Construction Equipment eine höhere Kraftstoffeffizienz, Produktivität und intelligente Vernetzung seiner Bagger an. Einsatzzeiten, Wartung und Produktivität können aus der Ferne überwacht und gesteuert werden. Mit einer Pay-per-Use-Funktion könnten zusätzlich saisonale und zyklische Einkommensstrukturen der Baubranche liquiditätsschonend ausgeglichen werden, um Investition in die Zukunft zu sichern.
“Wenn wir uns der Transport-Branche widmen, was trägt EaaS zu einer smarten und nachhaltigen Lieferkette bei und was sind die Treiber?“
SZ: Die Globalisierung und das Wachstum im
E-Commerce sind wichtige Treiber für die Entwicklung smarter Lösungen wie die Echtzeitübermittlung und -überwachung aller einzelnen Schritte einer globale Lieferkette über Blockchain und IoT. Außerdem befeuert ein gesteigertes Umweltbewusstsein neben der Entwicklung innovativer Antriebstechnologien auch eine effizientere Ressourcen-allokation.
Mit IoT-Sensoren von Traxens ist beispielsweise MSC in der Lage, smarte Container-lösungen anzubieten, die Position, Erschütterungen, Temperatur, Bewegung und Türstatus in Echtzeit auf See, Straße und Schiene überwachen und auswerten. Eine effiziente Datenauswertung bietet hierbei die Möglichkeit schnellerer und intelligenterer Routen, kürzerer Verladezeiten und geringerer Lagerbestände in der globalen Lieferkette. Über Schnittstellen kann der smarte Container mit weiteren Akteuren kommunizieren und stellt somit eine kontinuierliche Optimierung der Lieferkette auf Basis einer Vielzahl von Daten sicher.
„In diesem Zusammenhang ist auch Intralogistik interessant. Welche Implikationen gibt es für diese Branche?“
ME: Stark umkämpfte Märkte treiben die betriebliche Effizienz durch technologiebasierte Lösungen und Lagerautomatisierung weiter voran. Die Intralogistikbranche ist agnostischer was Branding und Kundenloyalität angeht. Was hier zählt, ist uptime. Die Maschinen müssen fehlerfrei und unter hohem Einsatz laufen.
Smarte Maschinen als Teil einer EaaS-Lösung sorgen mittels IoT und den daraus gewonnenen Daten für eine verbesserte Produktivität, eine erhöhte Geschwindigkeit, verringerte Ausfallzeiten und bieten flexible Möglichkeiten, auf unvorhergesehene Marktdynamiken zu reagieren. Neben den umfassenden Automatisierungslösungen könnte beispielsweise Linde durch Pay-per-Use sein Angebot noch flexibler und mit einer höheren Skalierbarkeit für den Endkunden gestalten.
“In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage nach Use Cases. Welche Arten von Maschinen eignen sich in Ihren Augen besonders für EaaS?“
SZ: Im ersten Schritt werden mobile, stark beanspruchte Maschinen mit kurzen Austauschzyklen eine ideale Möglichkeit für Equipment as a Service bieten. Zyklische Einkommensstrukturen und kapitalintensive Industrien stellen genauso wie ein erkennbarer Mehrwert durch Data Analytics weitere vielversprechende Anknüpfungspunkte dar.
Im zweiten Schritt macht es sicherlich Sinn bei einem gegebenen Mehrwert auch EaaS-Angebote von immobilen bzw. hochindividuellen Maschinen anzubieten. Mit einem Pay-per-Part oder Pay-per-Use Modell hat neben dem Endkunden auch der OEM großes Interesse an gemeinschaftlichem Wachstum, da sich höhere Erlöse aus dem Produktabsatz und die Erlöse aus dem Subskriptionsmodell in Abhängigkeit steigern.
„Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die einzelnen Branchen. Wenn man jetzt alle Branchen vergleichen möchte: Wann kommt EaaS in den jeweiligen Branchen als Standard an?“
ME: Markteintritte sind nie zu 100% vorherzusagen, aber wir haben uns die Dynamik in den einzelnen Branchen im Hinblick auf Eaas angesehen. Hierzu haben wir auf Basis der identifizierten Industrietreiber versucht Schnittmengen zu finden, die einen Einsatz von EaaS unterstützen. Dabei sind wir auf folgende Treiber gekommen: Kurze Austauschzyklen von Maschinen, saisonales Geschäftsmodell, Mehrwert durch Data Analytics, Kapitalintensität und die technologische Eintrittsbarrieren.
In unserer Auswertung haben wir einen Zeithorizont von 5 Jahren betrachtet und sind zur Einschätzung gekommen, dass die Landwirtschaft mit der Saisonalität und der Abhängigkeit von Umweltfaktoren durch eine effiziente Datenauswertung kurzfristig am meisten von EaaS profitieren könnte. Vom liquiditätsschonenden Einsatz mobiler Maschinen sehen wir auch in der Bauwirtschaft im frühen Markt erfolgversprechende Vorteile.
Für die Logistik sehen wir neben der Flexibilität vor allem die datengetriebene Effizienzsteigerung durch das globale Wachstum im E-Commerce als große Bereicherung an. Um alle Effizienzen zu heben, ist allerdings eine flächendeckende Abdeckung von smarten Komponenten in der Lieferkette notwendig, deshalb wird ein EaaS-Markteintritt erst am Ende des frühen Marktes bzw. am Anfang des Massenmarktes stattfinden. Aufgrund der hohen Komplexität und Individualität von Intralogistik wird abgesehen von mobilen Maschinen eine flächendeckende Nutzung von EaaS-Lösungen erst im späten Massenmarkt erfolgen.
Wir sind in jeden Fall gespannt die Marktentwicklungen weiterhin zur verfolgen und freuen uns diese aktiv mitzugestalten!
„Wir haben ein Wachstum von Mietservice und -lösungen innerhalb des Schwermaschinengeschäfts erlebt - wo sehen Sie den Spielraum zwischen operativem Leasing und (langfristiger) Miete für EaaS?“
BO: Um den individuellen Mehrwert für alle Vertragspartner zu identifizieren und zu realisieren ist ein besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung der Vertragsmodalitäten zu legen. Off-Balance-Effekte, Übertrag von Risiken sowie steuerliche Aspekte müssen individuell auf den Kunden abgestimmt werden – hierbei ist die Hilfe von Experten unerlässlich.
„Herr Oppold, Herr Eberle, Herr Zimmermann vielen Dank für das interessante Gespräch!“
BO: An dieser Stelle möchte ich die Leserinnen und Leser noch auf unsere gemeinsame EaaS-Survey aufmerksam machen. Die Umfrageergebnisse wollen wir im Anschluss in einer Studie veröffentlichen. Vielen Dank!
ME & SZ: Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Thiel.
Visit KPMG online: https://home.kpmg/de/de/home/contacts/o/bernd-oppold.html
Unternehmensüberblick
KPMG ist eine führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 25 Standorten in Deutschland.
Beratung zu Themen rund um Leasing und Equipment as a Service werden ganzheitlich aus regulatorischer, steuerlicher, Accounting, rechtlicher und strategischer Perspektive abgedeckt.
Quelle: LECTURA Verlag GmbH