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„Engagement ist immer erwünscht“

Interview mit Walter Gunreben, BG BAU, Referat Gefahrstoffe, zum Thema Staubschutz im Handwerk 

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Um effektive Staubschutzmaßnahmen treffen zu können, braucht es entsprechende Kenntnisse. Wie bewerten Sie das aktuelle Bewusstsein und den Wissenstand im Handwerk, wenn es um die Gefahren im Umgang mit Staub geht?

Letztendlich hängt es natürlich von jedem einzelnen ab. Viele Unternehmen sind gut informiert, es gibt aber auch immer schwarze Schafe. Die Bandbreite reicht also von „gar kein“ bis zu sehr hohem Bewusstsein. Der Trend geht aber ​eindeutig in die richtige Richtung, der allgemeine Wissensstand wird größer. Selbstverständlich dürfte das gerne schneller gehen. Gerade bei den jüngeren Handwerkern spielt der Staub- und Gesundheitsschutz aber schon heute eine wichtige Rolle. Es gibt jedoch sicher noch Defizite, besonders bei konkreten Maßnahmen und deren Umsetzung.

Glauben Sie, es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen, je nach Staubart? Bei Asbest scheint das Bewusstsein etwa recht groß zu sein, bei anderen Feinstäuben dagegen eher gering.

Asbest ist ohne Frage das „Zugpferd“ in Sachen Aufmerksamkeit. Hier gibt es die meisten Erkrankten und man hört regelmäßig in den Medien vom hohen Gefahrenpotential. Auch dass die tödlichen Folgen erst 20 bis 30 Jahre nach der Exposition eintreten können, ist allgemein bekannt. Aus diesem Grund war Asbest häufig der Antrieb, neue Schutzmaßnahmen einzuführen. Das Gefahrenpotential durch mineralische, quarzhaltige Stäube wird hingegen deutlich weniger präsent wahrgenommen, obwohl diese weitaus verbreiteter sind. Glücklicherweise findet hier inzwischen ein Bewusstseinswandel statt. Die krebserregenden Eigenschaften von Laubholzstäuben sind wiederum relativ bekannt und werden ernstgenommen.

Die Notwendigkeit von Bauhelmen und Sicherheitsschuhen stellt niemand in Frage. Warum ist der Schutz vor Staub nicht ebenso prominent in den Köpfen verankert?

Wenn Sie ohne Sicherheitsschuhe in einen Nagel treten oder Ihnen ohne Helm etwas auf den Kopf fällt, haben Sie unmittelbare, schmerzhafte Konsequenzen. Die Wirkung von Staub kann sich dagegen lange verzögern. Zwischen der Exposition und der Erkrankung liegen oft viele Jahre. Solange noch keine Symptome auftreten, sehen also viele keine Veranlassung sich besonders zu schützen. Ist die Erkrankung dann erkennbar, sind die körperlichen Schäden meist irreversibel. Hinzu kommt, dass einige staubbedingte Krankheiten erst durch eine langfristige Exposition auftreten. Dies führt dazu, dass erkrankte Handwerker häufig schon älter sind. Ein krankheitsbedingtes Ausscheiden aus dem Beruf, nur wenige Jahre vor der Rente, wird vom Arbeitgeber und den Kollegen kaum als etwas ungewöhnliches wahrgenommen. Treten die Symptome erst nach dem Renteneintritt auf, verstärkt sich diese Anonymisierung sogar noch.

Glauben Sie, dass es im Hinblick darauf wichtig ist, dass Hersteller von Reinigungstechnik mehr Engagement bei der Aufklärung zeigen?

Engagement ist immer erwünscht, ob durch allgemeine Aufklärung oder von Produkt-Seite aus. Ich habe den Eindruck, in dieser Hinsicht passiert auch schon einiges. Fraglos ließe sich aber noch das ein oder andere verbessern. Eindeutige, klar erkennbare Kennzeichnungen für staubarme Geräte und Maschinen wären beispielsweise ein wichtiger Schritt und klare Hinweise welche Staubklassen bei Entstaubern für welche Tätigkeiten erforderlich sind. Solche Angaben fehlen häufig, das macht die gezielte Anschaffung derartiger Produkte für Handwerksunternehmen schwierig.

Apropos Maschinentechnologie: Sehen Sie in bestimmten Bereichen Innovationsbedarf? Gibt es Technologien, die Sie sich wünschen, aber noch nicht verfügbar sind?

Es gibt viel Bedarf für Verbesserungen. Aktuell sind etwa „abgesaugte“ Sägen für Ziegel ein Thema, das uns beschäftigt, dafür gibt es noch keine optimale Lösung. Auch Entstauber im Baukasten-System und besonders staubarme Kehrsaugmaschinen sind Entwicklungen, die wir uns für die Zukunft wünschen. Immer wieder ist intelligente, staubarme Technologie auch bereits verfügbar, kann sich dann aber leider nicht auf dem Markt durchsetzen. Abgesaugte Druckluftmeißel gab es bereits vor Jahren, mangels Nachfrage verschwanden sie aber wieder vom Markt. Dabei müssen solche Anpassungen nicht zwangsläufig teuer sein, häufig lassen sich Staubemissionen schon mit geringem technischem Aufwand reduzieren. Allgemein gilt, je länger man sich mit einem Gerät oder dem jeweiligen Arbeitsverfahren beschäftigt und ins Detail geht, desto mehr Bedarf sieht man. In absehbarer Zeit gibt es also genug zu tun, dafür staubt es noch zu viel und zu häufig.

In welchem Umfang nimmt das Handwerk Förderprogramme, etwa für Bauentstauber, in Anspruch? 

Förderprogramme sollen bestimmte Entwicklungen anstoßen und voranbringen. Das betrifft einerseits die bei der BG BAU versicherten Betriebe, andererseits aber auch die Hersteller. Wir wollen erreichen, dass der Fokus auf bestimmte Technologien und Probleme gelegt wird. Ich hatte bereits erwähnt, dass von Zeit zu Zeit staubarme Technik wieder vom Markt verschwindet. Eben dies sollen die Förderprogramme verhindern, indem gezielt ein zusätzlicher Kaufanreiz geschaffen wird. Über das Fördersystem wird die Anschaffung verschiedenster Produkte bezuschusst, die die Arbeitssicherheit erhöhen. Neben persönlicher Schutzausrüstung macht Absaugtechnik hierbei einen beträchtlichen Anteil aus. Seit dem ersten Programm für Bauentstauber im Jahr 2013 verdreifachten sich die Förderzahlen, mit jährlichen Zuwächsen im zweistelligen Bereich. Bislang wurden etwa 40 000 Entstauber gefördert. Diese positive Resonanz beschränkt sich zudem nicht nur auf unsere Mitgliedsbetriebe. Wird innovative Technik einmal in einer gewissen Breite genutzt, ziehen andere Unternehmen und Händler schnell nach.

Sollte es weitere Förderangebote geben? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Im Moment ist uns eine Förderung von Absauganlagen wichtig, zum Beispiel für Steinmetze. Hier laufen bereits die Vorbereitungen. Ansonsten gibt es immer Anregungen, aber gute Förderung braucht auch gute Betreuung. Das ist vor allem eine Frage der Personalkapazität. Die Programme sollten deshalb zunächst möglichst Geräte fördern, die von vielen verschiedenen Gewerben genutzt werden können. Grundsätzlich sind wir hierbei gut aufgestellt.

Hat sich durch die aktuelle Coronavirus-Situation der Staubschutz im Handwerk verändert?

Ich bin kein Mediziner, aber eine staubbedingte Beeinträchtigung der Lunge ist bei einer Infektion mit dem Virus sicherlich nicht zuträglich. Was sich eindeutig bemerkbar macht, ist die Knappheit beim Atemschutz. Als Schutzmasken noch günstig waren, wurden diese gerne als Ausrede angeführt, um keine sichere, leistungsfähige und staubarme Technik anschaffen zu müssen. Durch den extremen Preisanstieg der letzten Wochen wird jetzt mehr über Alternativen beim Staubschutz nachgedacht. Diese indirekte Auswirkung der Pandemie bekommen wir zu spüren.​

Quelle: Nilfisk GmbH