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Heute, am 11. März 2022, ist Antonio Carraro, Präsident der Antonio Carraro Spa, von uns gegangen

Heute, am 11. März 2022, ist Antonio Carraro, Präsident der Antonio Carraro Spa, von uns gegangen.
Antonio Carraro Europa
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Heute, am 11. März 2022, ist Antonio Carraro, Präsident der Antonio Carraro Spa, von uns gegangen.

Bildquelle: Antonio Carraro S.p.A.

Über das Leben von Antonio Carraro zu sprechen bedeutet, über das Unternehmen zu sprechen, das seinen Namen trägt. Aus der 1910 gegründeten Werkstatt „Giovanni Carraro“, einem paduanischen Hersteller von Sämaschinen, Traktoren und Dieselmotoren, entstehen 1960 zwei neue Unternehmen: die „Antonio Carraro“ des Giovanni (mit Antonio, seiner Schwester Bianca und seinem Vater Giovanni) und die „Carraro Spa“ (mit Oscar, Mario, Francesco und Clara, Giovannis anderen Kindern). Die beiden Zweige der Familie Carraro unterscheiden sich durch ihre unternehmerische Vision: Antonio ist auf Kompakttraktoren mit isodiametrischen Rädern für die spezialisierte Landwirtschaft ausgerichtet, während das Unternehmen Carraro spa in der Großserienproduktion von Achsen für Traktoren und Komponenten für den Automobilsektor tätig ist.

Die Unternehmensgeschichte der Antonio Carraro

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Nach der Spaltung der Giovanni Carraro-Industrie im Jahr 1960, beginnt Antonio Carraro mit der Produktion von Kompakttraktoren für die spezialisierte Nischenlandwirtschaft und übernimmt dabei die vier rotierenden Pferde als Markenzeichen, ein Simplegma persischen Ursprungs, das in einer Zeichnung von 1600 als Symbol der Fruchtbarkeit und Stärke dargestellt wird. Von Beginn an ist es eine Erfolgsstory: 1970 distanziert die Marke Antonio Carraro die Konkurrenz deutlich und setzt sich als Marktführer im Bereich der Kompakttraktoren durch.

1973 gründet Antonio Carraro das „Studien- und Forschungszentrum“, eines der ersten in Italien im Ingenieurbereich, in dem er ein Team von Technikern organisiert, die sich ausschließlich der Suche nach innovativen Fahrzeugen für die Landwirtschaft widmen und hierzu mit den Universitäten von Padua, Bologna, Berlin, Humboldt und Sidney zusammenarbeiten.

Der erste große Expansionsplan des Unternehmens beginnt in den 2000er Jahren mit dem Bau der neuen Lagerhallen, immer in Campodarsego, und der Neuorganisation aller Produktionsabteilungen gemäß den Anweisungen der Porsche Consulting aus Stuttgart. Die 3-jährige Aus- und Fortbildung markiert einen grundlegenden Wendepunkt für das Unternehmen, das heute zu den Spitzenreitern der landwirtschaftlichen Mechanisierungsindustrie gehört und für höchste Technologie der Produktionsprozesse und die Organisationsformel gemäß der japanischen „Kaizen“-Philosophie der kontinuierlichen Verbesserung in kleinen Schritten steht.

In den Reihenkulturen der Weinberge und Obstplantagen, in Bergkulturen, in Gewächshäusern, auf Weiden und in Wäldern, in der Pflege öffentlicher und privater Grünflächen, bei der Schneeräumung der Straßen, auf Baustellen und in der Pflege von Sportanlagen, macht ein Traktor von Antonio Carraro oft den Unterschied in Ertrag und Arbeitskomfort.

Unter den Zulassungen im Segment der kompakten Traktoren halten die Maschinen der Marke Antonio Carraro in Italien seit vielen Jahren die führende Stellung. In der Welt gehört die Marke zu den Top 7.

Antonio Carraro hat mit seiner Geschichte zu einem großen Wachstum seines Unternehmens beigetragen und verwandte Branchen dazu angeregt, zur Entwicklung der Beschäftigung im Maschinenbausektor beizutragen. Gleichzeitig haben die von ihm geschaffenen Fahrzeuge einen starken Impuls für die Agrarwirtschaft der Gebiete des Mittelmeerraumes und der Berggebiete des Alpeadria-Gebiets (Norditalien, Schweiz, Österreich und östliche Länder), aber auch in Süditalien, Spanien, Griechenland, Portugal, Deutschland, Frankreich und in ganz Europa gegeben. Ab den 1960er Jahren entstanden Hunderte von AC-Traktorenhändlern und Verkaufsstellen.

Antonio Carraro, der bis wenige Wochen vor seinem Tod im Unternehmen tätig war, verfolgte weiterhin mit ungebrochenem Interesse die Arbeit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens, die er täglich besuchte. Mit seinem guten und großzügigen Charakter hat er das Leben im Unternehmen intensiv geprägt und auch als Protagonist in institutionellen Dokumentarfilmen und Werbespots agiert (der letzte mit Albano Carrisi, seinem langjährigen Freund und Kunden).

Im November erschien der letzte Gedenkfilm zum 110-jährigen Firmenjubiläum „Costanza e salti“ des Paduaner Regisseurs Federico Massa, der ihn als Pionier der Traktorenindustrie in die Hauptrolle sah und über sein reiches, mit Hingabe für die Arbeit und die Entwicklung seiner Industrie gelebte Dasein berichtet. Zu seinem Werk gehören mittlerweile über 500 Mitarbeiter, 5 Niederlassungen (Spanien, USA, Türkei, Chile, Frankreich), sowie 650 Händler und Verkaufsstellen auf der ganzen Welt.

Heute gilt die Marke Antonio Carraro mit den 4 rotierenden Pferden als Symbol für höchste Qualität und als „Ferrari“ unter den Traktoren.

Heute, am 11. März 2022, ist Antonio Carraro, Präsident der Antonio Carraro Spa, von uns gegangen.  <br> Bildquelle: Antonio Carraro S.p.A.

Die Persönlichkeit von AC

Mit seinem zurückhaltenden und in gewisser Weise schüchternen Charakter entwickelte Antonio Carraro seit seiner Kindheit eine Leidenschaft für Mechanik, aber auch für Kunst und klassische Musik. Obwohl er wegen seinem Prestige und seiner weitreichenden Kultur oft aufgefordert wurde, institutionelle Positionen zu besetzen, hat er nie irgendwelche Ämter außerhalb seines eigenen Unternehmens angenommen, da er sie für unvereinbar mit der industriellen Tätigkeit hielt. Die einzige Ausnahme von dieser Lebensphilosophie „gönnte“ er sich ab 2005, als er anlässlich verschiedener Präsentationen des neuesten Buches des Schriftstellers Piero Buscaroli mit dem Titel „Beethoven“ , auf Einladung des Musikkritikers und großen Freundes von Antonio Carraro selbst, in seiner Eigenschaft als profunder Kenner Beethovens, als Sprecher und Kommentator auftrat. Seit den 1960er Jahren bekleidete er die Position des Präsidenten der Antonio Carraro Spa und befasste sich täglich mit den Aktivitäten der Forschungs- und Entwicklungsabteilung (R&D) des Unternehmens.

Die Lebensphilosophie von AC

Nachstehend eines der letzten Interviews mit Antonio Carraro, nicht als Industrieller, sondern als Liebhaber der Kunst und „seiner“ Stadt Padua.

„Mein wesentliches Merkmal? Ich bin besessen von Ästhetik und Qualität.
Antonio Carraro, Präsident von Antonio Carraro Spa, spricht über sich…

„Ich bin stolz darauf, dass mein Unternehmen immer noch am selben Produktionsstandort angesiedelt ist, an dem sich mein Vater 1910 zum ersten Mal niederließ. Tatsächlich begann das Geschäft unserer Metallschmiede-Familie im Jahr 1875, als wir das Grundstück kauften, auf dem das Carraro-Unternehmen noch heute steht.

Seit meiner Kindheit arbeitete ich mit meinem Vater Giovanni und meinen Brüdern zusammen. Bereits mit 13 Jahren besuchte ich die Landmaschinenmärkte Norditaliens, begleitet von Oscar, dem ältesten meiner Brüder, auf seinem Motorrad. Seitdem ist viel passiert. Heute kann ich mit Stolz sagen, dass mein Unternehmen in Italien die Nr. 1 bei den Zulassungen im Segment der Kompakttraktoren innehält und weltweit an achter, möglicherweise sogar siebter Stelle steht.
Während meiner Tätigkeit habe ich nie an die Gewinne gedacht, sondern daran, wie ich mein Unternehmen ausbauen und wie ich immer wieder neue und noch schönere, komplettere, effizientere und komfortablere Traktoren erfinden konnte. Deshalb behaupte ich gerne, dass wir „den schönsten Traktor der Welt“ bauen. Immer wieder gehen wir von dieser Annahme aus, vom Wunsch, es noch besser zu machen und uns weiterzuentwickeln. Nicht nur ich selbst, sondern auch alle meine Mitarbeiter. Dazu gehören nicht nur die Arbeiter in der Fabrik, sondern alle Mitarbeiter in meinem Unternehmen, mit ihrem Engagement und ihren Fähigkeiten, jeder für sich, dazu beitragen können, das Unternehmen und unsere Produkte zu verbessern.

DIE AC-FAMILIE

Die größte Befriedigung meines Lebens ist jedoch nicht die Arbeit, sondern meine Ehe mit Luciana, meiner Frau, und die Geburt meiner sechs Kinder. Ich habe Luciana sehr jung kennengelernt. Mein Vater hatte sie als Dolmetscherin eingestellt, weil sie Italienisch, Englisch, Französisch und Arabisch beherrschte, in Alexandria in Ägypten geboren war und dort ein internationales Französisch-Institut besucht hatte. Mein Antrieb, meine Impulse zum „Machen“ kamen seit jeher von meiner Familie, in der sich jeder auf seine Weise, gemäß seinen Fähigkeiten und Einstellungen, einbrachte und einbringt. Meine Kinder sagen, ich hätte einen guten Charakter, auch wenn ich manchmal streng bin. Und es stimmt: Wenn es um Mechanik, Musik oder Kunst - meine großen Leidenschaften - geht, kann ich mich schon mal erhitzen. Politische Diskussionen hingegen faszinieren mich nicht. Ich wurde oft eingeladen, aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, aber ich habe diese Einladung immer abgelehnt, da ich sie nicht für mit meiner industriellen Tätigkeit vereinbar halte. 

Neben der Familie und und den Traktoren widme ich meine gesamte Freizeit der Pflege meines „Innenlebens“, dem Lesen, der Musik oder dem Besuch von Kunststätten, Museen, aber vor allem Kirchen. 

Ich liebe Padua, meine wunderschöne und so reich mit absolut einzigartigen Denkmälern gesegneten Stadt. Denken nur zum Beispiel an die Werke von Giotto, Mantegna, Sansovino, Veronese, Briosco, Donatello. Es ist schade, dass einige Rekonstruktionen nach den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs auf nicht gerade glückliche Art und Weise durchgeführt wurden. Ich beziehe mich zum Beispiel auf den Corso Milano: Ich erinnere mich noch, wie dieser vor dem Krieg aussah. Es war die Nobelstraße der Stadt. Heute ist es eine Ansammlung von leider unharmonischen Gebäuden, die einer Gesamtplanung entbehren. Oder den Spalato-Platz (ehemals Piazza Insurrezione): Sie sollte zum Kreuzpunkt aller Straßen rund um Padua werden.

Heute, am 11. März 2022, ist Antonio Carraro, Präsident der Antonio Carraro Spa, von uns gegangen. <br> Bildquelle: Antonio Carraro S.p.A.

Aber dem ist leider nicht so. Die Logik des wilden Bauens der Wirtschaftsboomjahre hat sich durchgesetzt.

In meinem Alter akzeptiere man diese Tatsache: Kontroversen sind in vielen Fällen ohnehin völlig nutzlos. Sagen wir mal, ich sehe jetzt vieles mit mehr Philosophie: was war, kann man nicht mehr ändern. Glücklicherweise kann ich auf ein erfülltes Leben zurückschauen, das mir besonders durch meine industrielle Tätigkeit viel Befriedigung geschenkt hat. Zu meinen größten Erfolgserlebnissen zählt zunter anderem die Zufriedenheit unserer Kunden, auch der ganz besonderen wie Al Bano Carrisi, Gianni Morandi, der Sänger Sting, Mogol, oder der renommierten Weingüter wie Moët Chandon, Cà Del Bosco, Voerzio (Barolo) und Antinori.

Wenn ich wirklich von etwas besessen bin - aber im guten Sinne des Wortes -, dann von den Produkten. Ich war schon immer davon überzeugt, dass bei der Schaffung einer Arbeitsmaschine wie dem Traktor nichts dem Zufall überlassen werden soll: Nur die unbedingte Liebe zum Detail bestimmt die Exzellenz des Endergebnisses. Mein geheimer Traum war und ist immer derselbe: mein Unternehmen wachsen zu sehen und weiterhin mein Made in Italy, meine Traktoren, in meinem Land zu produzieren. Die Krise der letzten Jahre hat uns getroffen, das ist unbestreitbar, aber ich war schon immer Optimist. Eine Eigenschaft, die alle Kunstliebhaber verbindet, denn die Liebe zu den schönen Dingen und absoluten Meisterwerken versüßt den Charakter aller menschlichen Wesen. Dass ich in Padua lebe, ist ein doppeltes Glück, weil Padua zu den schönsten Städten Europas gehört. Denken wir an die Pracht des Prato della Valle oder der Scrovegni-Kapelle, dem außergewöhnlichem Ort, an dem man sich von der Schönheit der Gemälde von Giotto faszinieren lassen kann. Oder zu den bildhauerischen Meisterwerken, die uns Donatello in seinem 11-jährigen Aufenthalt in Padua hinterlassen hat. Aus meiner Sicht ist Donatello ein absolutes Genie: Neben einem enormen Talent als Bildhauer besaß er jenes einzigartige architektonische Genie, das ihm dazu diente, die perfekten Koordinaten zu bestimmen, an denen er seine Werke platzieren wollte. So zum Beispiel das Denkmal für Erasmo da Narni, auch „Gattamelata“ genannt, das mit seiner beeindruckenden, fast dreisten Kraft den Raum gegenüber dem Eingang der Basilika des Heiligen Antonius dominiert. Ein Reiterdenkmal, das einen ursprünglich bescheidenen Platz in einen majestätischen und feierlichen Ort verwandelt hat und zur Versammlung der Gläubigen in dieser Franziskanerkirche von 1238 einlädt, die nach diversen Umbauten zum wunderbaren Heiligtum von Sant'Antonio geworden ist, das wir heute bewundern.

Quelle: ANTONIO CARRARO SPA