17. März 2022, 14:25
Ein Bauernhaus mit Scheune. Im Hof scharren einige Hühner. Die Kühe werden zweimal täglich von Hand gemolken. Über die Felder tuckert ein einsamer Traktor. Und den angrenzenden Wald bewirtschaftet der Landwirt mit seinem Rückepferd Toni. Dieses idyllische Bild der Landwirtschaft gibt es heute kaum noch. Der Verbrauchermarkt ist hart, die Herausforderungen werden immer größer und so mancher alte Bauernhof hat sich zu einem hocheffizienten Agrarbetrieb entwickelt. Auch in Sachen Digitalisierung hat die Branche in den vergangenen zehn Jahren enorm aufgeholt. Neben Weizen, Mais und Soja ernten immer mehr Landwirte noch etwas anderes: Daten. Über die Gesundheit ihrer Ferkel. Über die Milchmenge jeder einzelnen Kuh. Über die Bodenbeschaffenheit. Und über den minimalen Düngerverbrauch für die maximale Erntequalität. Die Keimzellen für all diese Informationen: Sensoren.
Mehr Komfort für lange Erntetage
Ehrlicherweise sind wir bei Continental keine Tierhaltungsprofis. Aber mit den in den Anwendungen für die Landwirtschaft eingesetzten Sensoren kennen sich unsere Expertinnen und Experten sehr gut aus. „Mit Sensoren können wir unter anderem die analogen Luftfedern von Fahrwerken, Kabinen und Sitzen landwirtschaftlicher Maschinen „schlau“ machen – und damit den Komfort für den Fahrer deutlich erhöhen“, erklärt Carsten Klages, Off-Highway-Experte bei Continental und Marketingverantwortlicher für Luftfedern in Industrieanwendungen. Ein Beispiel sind die Luftfedern für die Traktorvorderachse, für die Continental der einzige Anbieter ist.
Wenn diese Sensoren mit weiteren Komponenten, zum Beispiel Ventilen und anderen Aktoren, sowie der passenden Steuerungssoftware kombiniert werden, dann sind sie der erste Schritt in Richtung Landwirtschaft 4.0. Ein konkretes Beispiel hierfür ist das Electronic Air Spring DampingSystem (eASD), ein elektronisch gesteuertes Federungs- und Dämpfungssystem für Fahrzeugkabinen, das sich automatisch an unebene Bodengegebenheiten anpasst und so in Zukunft den Komfort für all jene, die in der Erntezeit zwölf Stunden und mehr am Steuer einer Erntemaschine verbringen, erhöht.
Klein, aber oho: Sensoren sind schon heute Alleskönner
Allerdings ist das eASD in der Landwirtschaft eher noch Zukunftsmusik. HPTA-Sensoren können im Gegensatz dazu schon heute bei der Lösung von wichtigen Effizienz- und Nachhaltigkeitsfragen der Branche helfen. HPTA steht dabei für die englischen Begriffe „height“, „pressure“, „temperature“ und „acceleration“ – also Höhe, Druck, Temperatur und Beschleunigung. Je nach Anwendung können die Sensoren nur einen dieser Werte, eine Kombination aus mehreren oder sogar alle Parameter messen.
Ein Beispiel: In Sä- und Pflanzmaschinen werden oft Hydraulikelemente eingesetzt, um die einzelnen Saatkörner zu verteilen. Diese Technologie hat aber einige Nachteile: Zum einen besteht immer die Möglichkeit, dass das Hydrauliköl auslaufen könnte – mit negativen Folgen für Pflanzen, Boden und Umwelt. Zum anderen muss der Landwirt selbst Hand anlegen und die Pflanzhöhe auf ein vorab festgelegtes Niveau einer fünfstufigen Skala einstellen, der dann für alle Pflanzreihen des Seeders gilt. Und schließlich bleibt diese Einstellung anschließend unverändert, egal ob und wie die Bodenbeschaffenheit im Feldverlauf wechselt. Die Folge: Das teure Saatgut wird nicht immer optimal in der richtigen Menge und Pflanzhöhe und im richtigen Abstand ausgebracht. Weil aber Luftfedern ohne Öl auskommen, sind sie schon heute eine immer gefragtere Alternative für die Hydrauliktechnologie. Und wenn sie mit HPTA-Sensoren versehen sind, können im Anschluss an einen initialen Bodenscan bis zu 56 Pflanzreihen mit nur einem Knopfdruck individuell und hochpräzise kalibriert werden. „Zudem können sie sich im weiteren Verlauf automatisch anpassen und unterschiedliche Bodenverhältnisse kompensieren“, zeigt Carsten Klages das Potenzial auf. So kann auch in lockerer Krume genauso tief ausgesät werden wie in festem Boden.
Noch wichtiger wird diese Präzision bei Feldspritzen. Denn egal ob Bewässerung oder Düngung: Wenn sich Flüssigkeit an einer Stelle sammelt, während sie an anderer Stelle fehlt, kann das eine ganze Ernte gefährden. Auch hier können smarte Luftfedern dafür sorgen, dass jede individuelle Gemüsepflanze genau die richtige Menge Wasser bekommt. Neben den verschiedenen Bodenbeschaffenheiten erkennen unsere Sensoren zusätzlich das Fahrzeuggewicht, das sich mit der Zeit durch die Ausbringung der Flüssigkeit aus dem Tank immer weiter verringert. Auch hierfür werden bisher manuell einstellbare Luftfedern genutzt, die durch den Einsatz von HPTA-Sensoren an Präzision gewinnen könnten.
Nicht mehr ferne Zukunft: Landwirtschaft 4.0
„In den letzten zehn Jahren hat sich die Agrartechnologie mithilfe der Digitalisierung stark weiterentwickelt und ich erwarte, dass sich das weiter fortsetzt“, wirft Carsten Klages einen Blick in die Zukunft der Landwirtschaft. Schon heute gehören Flugdrohnen zu den oft eingesetzten Mitteln der Landinspektion, an der Landmaschine angebrachte 360-Grad-Kamerasysteme wie das ProViu 360 von Continental geben den Landwirten einen guten Überblick über die Umgebung, und moderne Erntemaschinen werden mithilfe von Predictive Maintenance überwacht und einsatzbereit gehalten. Daher wird die Integrierte Sensortechnologie auch weiterhin die Entwicklung bestimmen und Automation, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Effizienz in landwirtschaftlichen Betrieben weiter steigern. Viele Aufgaben werden Landwirte dann nicht mehr selbst und von Hand erledigen, sondern sie überwachen die Maschinen von ihren Büros aus. Das nötige Fingerspitzengefühl haben ja die Sensoren.
Übrigens profitiert auch Toni, das Rückepferd, von der Digitalisierung. Denn ganz in der 150-jährigen Tradition von Continental – das erste Produkt war ein Hufpuffer aus Gummi – präsentieren wir nun erstmals einen einzigartigen Hufschuh. Dieser wird über den Pferdehuf gezogen und ein integrierter Sensor gibt Hinweise auf unregelmäßig verteilten Druck auf die Sohle. So können Hufschmiede frühzeitig eingreifen, bevor es zu gesundheitlichen Problemen kommt und, im weiteren Verlauf, aufwendige und teure Tierarztbehandlungen nötig werden. Zudem erleichtern die Daten des Hufschuhsensors die Diagnosestellung und damit die optimale Therapieausrichtung. „Vielleicht werden wir ja doch noch Tierhaltungsprofis“, schmunzelt Carsten Klages.
Quelle: Continental