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Metamorphose im Münchner Norden - Wie sich eine Klärschlammdeponie in eine Kulturlandschaft verwandelt

Nähern sich Autofahrer der bayerischen Landeshauptstadt, passieren sie auf Höhe der Allianz Arena, dem Fußballtempel des FC Bayern, große Erdhaufen. Dicht an der A9 und unweit vom Autobahnkreuz München-Nord modellieren die verschiedensten Cat Baumaschinenmodelle eine 180 000 Quadratmeter große Fläche. Ihre Aufgabe: In acht Bauabschnitten eine lückenlose Abdichtung der Deponie München-Nord herzustellen. 70.000 Quadratmeter sind bereits fertig – 100 000 Quadratmeter hat die Hagn Umwelttechnik, ein Unternehmen der Felbermayr-Gruppe, noch vor sich, die bis 2017 hier zu tun hat. Danach beginnt die Nachsorge – eine Phase, die einen Zeitraum von rund zehn Jahren umfasst, in dem sich zeigen muss, ob die Deponie auch wirklich dicht hält. Aus ihr soll im Zuge der Oberflächenerneuerung eine 20 Hektar große Kulturlandschaft und ein Naherholungsgebiet mit Wald und Wiesen für die Bevölkerung entstehen – analog des Fröttmaninger Bergs mit seinem Windrad, die sich schräg gegenüber befinden.

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Von 1982 bis Mitte der 1990er-Jahre wurde der Klärschlamm der beiden Münchner Klärwerke in einzelne Becken in der Deponie Nord eingelagert. Dieser wies einen hohen Wassergehalt von rund 98 Prozent auf und wurde vor dem Einbau entwässert und umfassend mit Kalk stabilisiert. Seit 1997 wird die ocker bis rötlich gefärbte Klärschlammasche aus dem Klärwerk Gut Großlappen als Baustoff eingebracht – 13. von 17. Hektar sind damit abgedeckt. Wegen ihrer trockenen Beschaffenheit muss sie mit Wasser angereichert werden, um die vorgegebenen Verdichtungswerte zu erreichen. „Unser eigenes Labor ermittelt die Proctor-Werte, die wir anstreben müssen. Zwei Mitarbeiter geben den Kollegen vor, wie viel Wasser wir aufbringen müssen. Das ist relativ komplex“, verdeutlicht Thomas Henninger von der Bauleitung der Hagn Umwelttechnik. „Die Besonderheit dieser Deponie ist das Massenmanagement der verschiedenen Materialien“, ergänzt Henninger.

Dazu gehören auch Ersatzbaustoffe, die güteüberwacht durch Brechen und Sieben aufbereitet und dann unterhalb der Dichtungsschicht eingebracht werden. Vorausgesetzt, sie decken sich mit den Anforderungen hinsichtlich Qualitätsmanagement. Genauso wie die Klärschlammasche unterliegen sie einer permanenten Kontrolle. Es sind nicht die einzigen Untersuchungen, die routinemäßig anstehen: Auch das Grund-, Niederschlags- und Sickerwasser werden kontinuierlich überprüft, ständig werden Bodenproben entnommen und Pegelbohrungen durchgeführt. Alles dient der Sicherheit. Um zu verhindern, dass sich ständig neues Sickerwasser durch Niederschläge im bestehenden Dränagesystem der Deponie bildet, hat sich die Münchner Stadtentwässerung für eine vollständige Abdichtung der Deponieoberfläche entschieden. Kostenpunkt: 48 Millionen Euro. Doch das sei beileibe die wirtschaftlichste Variante, heißt es seitens der Kommune. Ihre Argumentation: Ist die Nachsorgephase einmal abgeschlossen, werden keine weiteren Investitions- und Betriebskosten verursacht, die zur Behandlung des Sickerwassers zukünftig nötig wären. Denn das Niederschlagswasser soll in eigens angelegten Becken versickern oder in einen Versickerungsgraben am Böschungsfuß geleitet werden. Die typische Münchner Kies- und Schotterebene begünstigt ohnehin den schnellen Wasserabfluss. Zum zusätzlichen Schutz des Grundwassers werden Schachtbauten und ein zweites Rohrsystem installiert. Unterschieden wird auf dem Areal der Schwarzbereich mit belastetem und Weißbereich mit unbelastetem Material. Beide müssen strikt voneinander getrennt werden. Deswegen sind von der Hagn Umwelttechnik immer wieder neue, temporäre Baustraßen anzulegen, um sich vorzuarbeiten. Für den Baumaschineneinsatz folgt daraus, dass in manchen Bereichen nur Geräte eingesetzt werden dürfen, sofern sie eine Schutzbelüftung aufweisen, wie es etwa bei der Cat Raupe D4G der Fall ist. Bevor die Cat Baumaschinen ihren Arbeitseinsatz vom einen in den anderen Bereich wechseln, passieren sie eine der beiden installierten Reifenwaschanlagen. Sie soll Geräte von Kontamination befreien, während die andere dafür sorgt, dass über Fahrzeuge kein kontaminiertes Erdreich auf öffentliche Straßen gelangt.

Der vorhandene Deponiekörper besteht aus einer Basisabdichtung aus Asphaltbeton, der bis zum umlaufenden Randdamm und der Dammkrone hochgezogen wurden, sodass eine dichte Wanne entstand. Die Basisabdichtung muss an die neue Abdichtung sicher und lückenlos anbinden. Die Dammkrone wird nun von den Mitarbeitern und Maschinen der Hagn Umwelttechnik samt der Oberfläche des kalkstabilisierenden Klärschlamms freigelegt. Dann wird eine Ausgleichschicht aufgetragen. Vorhandene Klärschlammasche kann dafür eingesetzt werden, mit der eine glatte belastbare Grundfläche errichtet wird. Sie dient als stabiles Auflager für den eigentlichen Dichtungsaufbau und wird nach genauen technischen Vorgaben mithilfe der Baumaschinentechnik hergestellt. Die aufgefüllte Deponie mit einer Schütthöhe von bis zu 30 Metern dient als Untergrund für die neue Oberflächenabdeckung.

Mehrere Generationen von Baumaschinen, die der Zeppelin Konzernkundenbereich lieferte, befördern immer wieder Erdmassen hin und her: Dumper 725, 730 und das neueste Dumper-Modell 730 der C-Serie sind im Dauereinsatz, um Material abzufahren oder anzuliefern. Beladen werden sie von dem Cat Radlader 950G und den Kettenbaggern 320B, 320C oder 324ELN. Raupen wie eine Cat D4G und eine D6K mit LGP-Laufwerken schieben Schicht für Schicht ab oder umgekehrt: verteilen sorgsam das Material in kleinen Schüben, das eingebaut werden soll. Um es abschließend zu verdichten, sind Cat Walzen wie eine CS563E oder eine Cat CS566E zugange. Ein Cat Kettenbagger 320B wurde in Eigenregie umgebaut und mit einer Winde versehen, um die Walze zu sichern, damit sie die erforderlichen Verdichtungswerte von 98 Prozent aufbringen kann, wenn sie entlang der steilen Böschung mit einem Verhältnis 1:2,75 arbeitet. Ein weiterer Aspekt ist die Sicherheit, wenn die Walze unmittelbar entlang der A9 mit der Verdichtung beschäftigt ist. Sie soll unter keinen Umständen mit dem Verkehr kollidieren.

Die neue Oberflächenabdeckung samt Geländemodellierung wird von den Cat Baumaschinen nach den Vorgaben des Planungsbüros profiliert – dabei unterstützt GPS-Technologie in Form von 3-D-Steuerungen an Kettenbaggern und Raupen die Mitarbeiter, damit sie zentimetergenau arbeiten können. Der Aufbau der Abdeckung setzt sich aus den verschiedensten Schichten mit klar definierten Schichtstärken und einer Gesamtdicke von 4,8 Metern zusammen, wie einer Trag- und Ausgleichschicht, einer kapillarbrechenden Schicht, Geotextil, einer Abdichtung aus Bentokies, einer Dränschicht, einer weiteren geotextilen Trennschicht und einer Rekultivierungsschicht. Sie erfüllen verschiedene Funktionen: Erstens sollen sie verhindern, dass Wurzeln die Abdichtung beschädigen. Zweitens soll das Oberflächenwasser gezielt abgeleitet werden. Und schließlich soll dadurch keine Feuchtigkeit nach unten eindringen.

Eine besondere Aufgabe übernimmt die Bentokiesabdichtung, die ganz penibel in zwei Lagen à 25 Zentimeter verteilt wird. Denn davon hängt viel ab. Es setzt sich zusammen aus Betonit, Tonmehl, Kies und Sand plus Wasser. Aufgrund der Kornform und -größe zeichnet Bentokies eine hohe Dichtigkeit aus. Er besitzt quasi selbstheilende Kräfte. Sollte tatsächlich wider Erwarten Wasser eindringen, dann schließen sich seine Poren. Böschungen werden somit stand- und verformungssicher und bleiben wasserdicht – selbst dauerhafte Feuchtigkeit kann Bentokies nichts anhaben.

Im Vergleich zur bestehenden Abdeckung fällt der neue Dichtungsaufbau nun wesentlich dicker aus. Dadurch steigt die Belastung auf den Baugrund. Die Folge: Die Bereiche mit den weicheren Klärschlammfeldern werden stärker zusammengedrückt als die festeren in den Deponiestraßen. Um eine Funktionsbeeinträchtigung der neuen Dichtungsschicht im Übergangsbereich von festem zu weichem Baugrund zu vermeiden, wird eine Auflast in Form einer Bodenaufschüttung in den betroffenen Bereichen aufgebracht. Durch deren Gewicht werden bereits vorab bewusst Setzungen erzeugt. Nach etwa einem Jahr, wenn diese wieder abgeklungen sind, wird die Auflastschüttung entfernt und der Dichtungsaufbau fortgeführt. Somit wird vermieden, dass in diesem kritischen Bereich der Übergänge später Setzungen auftreten.

Da die eingebrachten Erdbaustoffe nicht wie etwa Beton in eine beliebige geometrische Form gebracht werden können, sind Böschungen erforderlich. Dabei gilt es, die festgelegten Winkel einzuhalten, um später Rutschungen zu vermeiden. Doch ist insbesondere der notwendige Dichtungsaufbau, der eine etwas höhere Aufschüttung und somit steilere Böschung erzwingt, eine der Herausforderungen für das Team vor Ort.

An die Arbeit machten sich die 40 Mitarbeiter von Hagn Umwelttechnik im Februar 2009. Zuerst musste der Bewuchs auf dem Deponiegelände gerodet und Wurzelstöcke entfernt werden. Sie sollen später wieder ihren ursprünglichen Platz bekommen, um so der ursprünglichen Vegetation zu entsprechen und Tieren wie Insekten als Brutstätte und Rückzugsort zu dienen. Bestehende Abdeckschichten wurden und werden sukzessive abgetragen – ein Cat Kettenbagger 323EL übernimmt die Schürfarbeiten, während ein Mitarbeiter von der Fremdüberwachung Aushub für Aushub kontrolliert und kartografiert.
Dieser Vorgang dient dazu, neue Rekultivierungsschichten zu gewinnen. Sie werden auf einer gesonderten Fläche außerhalb der Deponie in Mieten zwischengelagert. Ein Augenmerk liegt dabei darauf, dass der Oberboden nicht vermischt wird. Schließlich soll er später auch genau wieder eingebaut werden – und zwar in einer Stärke von drei Metern. Die Schichtstärke fällt deutlich größer aus als eigentlich vorgeschrieben. Denn die Stadt München will auf Nummer sicher gehen. Schließlich erreichen nur die wenigsten Gehölze, die sich durch natürlichen Anflug ansiedeln, mit ihren Wurzeln eine solche Tiefe. Die Rekultivierungsschicht besteht aus natürlichen, mittel bis stark schluffigen beziehungsweise tonigen Kiesen, schwachbindigen, schluffigen Sanden und Lehm sowie Oberboden. Ihre Aufgabe: Eine Schicht für den Wasserhaushalt zu bilden und dafür zu sorgen, dass das Dichtungssystem nicht durchwurzelt wird. Sie soll die tieferen Schichten vor Temperaturschwankungen, vor Austrocknung und Erosion schützen.

Außerhalb der Deponie wurde ein extra Testfeld angelegt, das den gleichen Aufbau oberhalb der Dichtungsschicht aufweist. Es ist zweigeteilt: Ein Teil bleibt sich selbst überlassen, was bedeutet, dass sich die Vegetation auf natürlichem Weg ansiedeln soll. Der andere Teil erhält die gleiche Bepflanzung wie die Deponie. Anhand diesem will die Stadt beobachten, wie sich die Vegetation auf der Deponie entwickelt und wie tief Bäume und Sträucher tatsächlich in die Bodenschichten eindringen. Somit lässt sich der grüne Bewuchs laufend überprüfen, ohne in den Deponiekörper eingreifen zu müssen.

Bild 1: Über den Maschineneinsatz vor Ort tauschten sich aus: Thomas Henninger von der Bauleitung der Hagn Umwelttechnik (links) und Reinhold Bosl, Zeppelin Konzernkunden Verkaufsleiter (rechts), der die Cat Geräte liefert.

Bild 2: Mehrere Generationen von Baumaschinen befördern immer wieder Erdmassen hin und her: Dumper 725, 730 und das neueste Dumper-Modell 730 der C-Serie sind im Dauereinsatz, um Material abzufahren oder anzuliefern. Raupen wie eine D6K schieben Schicht für Schicht ab oder umgekehrt: verteilen sorgsam das Material in kleinen Schüben, das eingebaut werden soll.

Bild 3: Dicht an der A9 und unweit vom Autobahnkreuz München-Nord modellieren die verschiedensten Cat Baumaschinen eine 180 000 Quadratmeter große Fläche. Ihre Aufgabe: In acht Bauabschnitten eine lückenlose Abdichtung der Deponie München-Nord herzustellen. 70 000 Quadratmeter sind bereits fertig – 100 000 Quadratmeter hat die Hagn Umwelttechnik, ein Unternehmen der Felbermayr-Gruppe, noch vor sich, die bis 2017 hier zu tun hat.

Quelle: Foto: Caterpillar/Zeppelin