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Neue Entwicklungen beim Precision Farming

Prof. Dr. Hans W. Griepentrog, Universität Hohenheim

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Precision Farming (PF) hat in vielen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion grundlegend neue Verfahren bereitgestellt. Die Grundideen von PF waren zum Teil altbekannt, aber erst mit der Verfügbarkeit und Kombination von Satellitenortung und robuster Steuerungselektronik konnten neue Verfahren technisch realisiert werden. PF hat es ermöglicht, landwirtschaftliche Produktionsbedingungen besser zu beschreiben und zu analysieren. Das bessere Verständnis ermöglichte es, mit variablen Maßnahmen angepasst auf wechselnde Bedingungen zu reagieren. Herausragend neu war, dass PF neben Erfolgen in der generellen Automatisierung, zuverlässige Informationen - sogar in Echtzeit - über die heterogenen Produktionsprozesse liefern konnte und präzis variable Applikationstechniken bereitstellte. PF hat diese Techniken in die Lage versetzt, die hohe Arbeitsqualität gegen Störungen unempfindlicher zu gestalten und die Bestandsunterschiede kleinräumiger anzusprechen.

Die frühen Precision Farming-Systeme waren aufgrund fehlender integrierender Software schwer handhabbar. Die zusätzlichen raum- und zeitbezogenen Daten und andere relevante Informationen konnten nicht einfach und nur schwierig in neue Strategien zur Bestandes- oder der allgemeinen Betriebsführung genutzt werden. Hier gibt es heute Fortschritte im PF bezüglich des allgemeinen Datenmanagements. Hersteller bieten Lösungen an, die das Erfassen und Analysieren von Daten automatisieren und den Landwirt dadurch nicht durch zusätzlichen Arbeitsaufwand belasten. Dabei bleiben die Abläufe auch transparent, und der Landwirt kann Eingreifen und Korrigieren.

Besonders innovativ zeigen sich heute die integrierende Informationsverarbeitung mit Entscheidungsunterstützung, die komplexe Sensortechnik, aber auch verschiedene klassische Applikationstechniken.

Positionierungssysteme

Von grundlegender Bedeutung für PF ist die Positionierung oder Ortung: Zum Georeferenzieren von Bestandes- und Bodeneigenschaften, zum Applizieren von Betriebsmitteln und zum Navigieren von Fahrzeugen. Dabei werden Sensoren genutzt, die absolute Koordinaten mittels Satellitenortung oder relative Koordinaten mittels Kamera- und Lasersystemen liefern. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile und werden heute zunehmend kombiniert (Sensorfusion).

Neueste Entwicklungen einiger Hersteller gehen bei optischen Sensoren weit über die Fähigkeiten von in der Praxis eingesetzten Stereokamerasystemen hinaus und bieten 360-Grad-Kameras an, die eine nie dagewesene Rundumsicht um die Arbeitsmaschine erlauben. Dem Bediener wird erstmals ermöglicht, die Fahrzeugumgebung inklusive bisher nicht einsehbarer Bereiche (tote Winkel) oder das Fahrzeug selbst aus verschiedenen Blickwinkeln – auch von außerhalb der Maschine! - zu betrachten und beispielsweise bei der Fahrt sogar die Fahrspuren in das Bild zu projizieren. Die Rundumsicht wird für den Maschinenbediener erheblich verbessert und damit auch die Einsatzeffizienz der Maschine durch Vermeiden von Reparaturen und Unfällen (Arbeitserleichterung und Arbeitssicherheit).

Neu sind auch Laserscanner, die als vorausschauendes Erkennungssystem das Maschinenumfeld nach vorne und zur Seite hin abtasten, somit erfassen und ein Flächenmodell erstellen. Applikationen als auch die Maschinennavigation können Informationen des Flächenmodells nutzen, um beispielsweise Gestänge in Lage und Höhe anzupassen, aber sie können auch Kollisionen mit Hindernissen verhindern, indem die Maschine automatisch eine Bremsung auslöst.

Bodensensorik

Obwohl Sensoren zur Charakterisierung eines Pflanzenbestandes sehr viel Aufmerksamkeit erhalten, ist die Erfassung von Bodenparametern nicht minder von Bedeutung. Ganz im Gegenteil, die Änderung von Bestandseigenschaften ist meist eine zeitversetzte Reaktion auf beispielsweise veränderte bodenchemische oder -physikalische Prozesse. Mit der Verfügbarkeit von sensorisch erfassten Informationen über aktuelle räumlich variierende Bodeneigenschaften und Nährstoffgehalte könnte ein Bestand wesentlich effektiver und effizienter geführt werden.

Neueste Bodensensorik erfasst heute Bodendichte, Bodenfeuchte und Bodenart des Oberbodens, auch differenziert nach der Bodentiefe. So erstellte 3D-Bodenkarten können Offline zur Datenaufzeichnung für die Ackerschlagkartei genutzt werden. Aber Bodensensorik kann auch in Echtzeit, beispielsweise im Frontanbau zur Steuerung der Bearbeitungstiefe eines Bodenbearbeitungsgerätes, genutzt werden. Beide Verfahren haben ein großes Potenzial zur Effizienzsteigerung von Betriebsmitteln wie von Energie oder Düngemittel.

Applikationstechniken

Auch Applikationstechniken wurden weiter verbessert, hier insbesondere die Dosiermenge, Verteilung und Ablagetiefe bei Dünger und Saatgut. Insbesondere bei der Betriebsmittel­verteilung während der Applikation wurden Über- und Unterdosierungen weiter reduziert.

Bisher wurden bei der Säarbeit infolge der zeitlichen Verzögerung zwischen Einschalten der Dosierung und dem Austreten der Körner am Schar Lücken und Überlappungen am Vorgewende erzeugt. Neueste Sensortechnik kann den Förderbeginn des Saatguts direkt am Scharaustritt messen und so die Förderzeit des Saatgutes ermitteln. Auch auf Änderungen im Förderverhalten des Saatgutes wird so reagiert, da die Förderzeit abhängig von der Geometrie der Förderstrecke, der Gebläsedrehzahl und den Flugeigenschaften des Saatgutes ist. Infolge der sich einstellenden realen Förderzeit kann der optimale Zeitpunkt für die automatische Start- und Stoppsignale der Maschinensteuerung der Dosierung am Vorgewende bestimmt werden.

Informationsverarbeitung

Zunehmend wird eine zentrale Datenverwaltung über sogenannte Cloud-Systeme für bestimmte Applikationen genutzt. Die Nutzung erfolgt mit automatisierter Datenerfassung, Übertragung und Speicherung von Informationen auch von betriebsinternen Abläufen. Cloud-Systeme haben den Vorteil, dass deutlich mehr Datenquellen genutzt werden können, was die verfügbare Informationsmenge und damit die Entscheidungsqualität erhöht. Darüber hinaus werden Harmonisierungsprobleme der Datenformate gelöst und der Landwirt hiermit von diesem Problem befreit. Das Vertrauen in die Datensicherheit wird dabei zu einem Wettbewerbsvorteil der Dienstleister werden, was ebenfalls dem Landwirt zu Gute kommt, denn er entscheidet, wem er die Daten und in welchem Umfang anvertraut.

Allgemein kann neueste Software wichtige Prozesse zur Planung von Applikationen durch Zusammenführung und Integration einer Reihe von Daten aus verschiedenen öffentlichen und privaten Quellen automatisieren bzw. zu optimieren. Bei der Dünung und dem Pflanzenschutz stehen die Unterstützung des Landwirts bei der Einhaltung von Abstandsauflagen zu Gewässern und Saumstrukturen, wie zum Beispiel Hecken, im Zentrum. Hersteller bieten heute Software an, die internetbasierte Planungssysteme darstellen, die schlag- und produktspezifische und maschinenlesbare Applikationskarten generieren können. Diese Karten weisen Bereiche innerhalb eines Schlages auf, in denen Pflanzenschutzmittel unter den gegebenen Umständen nicht ausgebracht werden dürfen. Dies ermöglicht es, oben genannte Prozesse von der Planung über die Applikation bis hin zur Dokumentation weitgehend zu automatisieren.

Bei der Düngung sind benutzerfreundliche und optimierte Nährstoffmanagementsysteme zur bedarfsgerechten und präzisen N und P Applikation mit organischen sowie mineralischen Düngern neuerdings verfügbar. Solche Systeme erlauben die Planung und Optimierung als gesamtheitliche Betrachtung von Ernte zu Ernte und binden Technologien zur zielgenauen Düngerapplikation ein. Daten, Wissen und Schlüsseltechnologien werden von verschiedenen Anbietern intelligent mittels Modellen miteinander verknüpft und ermöglichen dem Anwender eine agronomisch optimierte sowie düngeverordnungskonforme, teilschlagspezifische Nährstoffapplikation. So werden eine hohe Präzision in der organischen und mineralischen Düngeplanung und -anwendung, eine Kostenreduktion, eine Ertragsoptimierung in Quantität und Qualität sowie die gleichzeitige Einhaltung der Düngeregularien bei feldspezifischer Dokumentation erreicht. Es wird möglich, Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat im Teilschlag exakt zu bestimmen, zu applizieren und zu dokumentieren.

Auch beim Pflanzenschutz gilt heute für den Landwirt derzeit noch, dass viele Einzelinformationen er selbst zusammenfassen muss. Durch die steigende Komplexität der zu berücksichtigenden Informationen und Auflagen kann es ungewollt zu Fehlanwendungen mit der Gefahr des Eintrags von Pflanzenschutzmitteln auf sogenannten Nicht-Zielflächen kommen.

Auch für den Pflanzenschutz werden datenintegrierende und benutzerfreundliche Managementsysteme zur zielorientierten, termingerechten und präzisen Applikation angeboten. Pflanzenschutzempfehlungen, Fahrerunterstützung bei der Befüllung der Spritze und Ausbringung im Feld unter automatisierter Berücksichtigung von Abstandsauflagen sowie deren lückenloser Dokumentation integriert. Die Datenübergabe erfolgt im herstellerunabhängigen ISO-XML Format, welches die Offenheit für weitere Implementierungen des Pflanzenschutzanwendungs-Managers sichert.

In Sonderkulturen, wie etwa dem Spargelanbau, wird durch die Kombination von Sensor- und Kommunikationstechnologien eine praxisorientierte Lösung für Qualitäts- und Ertragsverbesserungen möglich. Die Daten von drahtlosen Temperatursensoren in verschiedenen Tiefen der Spargelfelder stehen dem Anwender, zum Beispiel Landwirt oder Berater, auf einer Internetplattform zur Verfügung. Mittels in die Lösung integrierter Kommunikationstechnologien wie Smartphone-App und Kommunikationsmöglichkeit für die Beteiligten, können die Messwerte interpretiert und in Handlungsanweisungen überführt werden. Durch die zusätzliche Berücksichtigung der Historie und externer Daten können Prognosen zum Beispiel zum Erntebeginn erstellt werden.

Die praxisorientierte Lösung verbessert die Informationsbasis des Landwirts und bietet Erweiterungsmöglichkeiten sowohl hinsichtlich des Spargelanbaus als auch der Übertragung in andere Kulturen.

Fazit

Der Landwirt wird auch in Zukunft, trotz Automatisierung, wichtigster Teil des Betriebs-Managementsystems bleiben, weil die Systemkomplexität groß ist und eine hohe Entscheidungskompetenz verlangt. Die Technik und insbesondere die automatisierte Technik kann ihn aber effektiv unterstützen, indem sie sich ihm und dem Produktionsprozess anpasst, um sowohl Effizienzsteigerungen beim Betriebsmitteleinsatz als auch Fortschritte bei den Arbeitskosten, der Umweltschonung und der Produktqualität zu erreichen. Neue und innovative Sensortechniken und Softwareentwicklungen des Datenmanagements über Cloudlösungen werden ihm dabei helfen.

Quelle: DLG