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Trends bei der Technik der Zuckerrübenernte

Dr. Klaus Ziegler, Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer, Eibelstadt

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Weltweit erzeugen 113 Länder Zucker – 42 davon aus Zuckerrüben, das sind vor allem klimatisch gemäßigte Länder wie in West-, Mittel- und Osteuropa, den Vereinigten Staaten, China und Japan. Der überwiegende Teil – gut drei Viertel – des Weltzuckers wird aus Zuckerrohr in (sub-)tropischen Klimazonen gewonnen.

An die Zuckerproduktion ist oftmals eine Bioethanol-Erzeugung gekoppelt, die sowohl bei Zuckerrohr als auch bei der Zuckerrübe zusätzliche Anbauflächen benötigt. Nicht erst seit der Diskussion über die „Energiewende“ kommt besonders in Deutschland eine weitere Entwicklung hinzu, nämlich dass in Biogasanlagen Zuckerrüben zur Auflockerung mais-lastiger Substratzusammensetzungen verwendet werden. Dabei spielt die Erkenntnis eine wesentliche Rolle, dass die Zuckerrübe zu den Feldfrüchten mit den höchsten Trockensubstanz-Erträgen in einer leicht vergärbaren Form zählt. Zuckerunternehmen und -rübenanbauer in der EU haben sich für die Liberalisierung gerüstet. Jedoch zeichnet sich nach zwei Jahren unter liberalisierten Marktbedingungen in der EU ab, dass eine bewusste Erzeugung für den Weltmarkt (ohne staatliche Subvention) nicht wirtschaftlich darzustellen ist. Verstärkt durch die unterschiedliche, restriktive Pflanzenschutzmittelzulassung und Gewährung von gekoppelten Zahlungen in einzelnen Staaten steckt die Rübenzuckerproduktion der EU und insbesondere Deutschlands in der Krise. Wettbewerbsfähigkeit hängt aber weiterhin mit der kostenoptimierten Auslastung der vorhandenen Anlagen zusammen, so dass vielerorts Restrukturierungsmaßnahmen mit Fabrikschließungen anlaufen. Die EU ist zwar wieder zum Nettoexporteur bei Zucker aufgestiegen, muss aber die Mengen aus vielen Freihandelsabkommen (unter anderem auch MERCOSUR) in das Marktgeschehen einbauen. Parallel erlebte die russische Landwirtschaft trotz oder gerade wegen internationaler Sanktionen einen Aufschwung. Dies kommt auch der Zuckerwirtschaft Russlands zugute, hat das Land doch binnen weniger Jahre die Anbaufläche fast verdoppelt (auf über 1 Million ha) und gilt mittlerweile in Sachen Zucker als Selbstversorger.

Der „Anbauboom“ der Vorjahre mit einer verstärkten Nachfrage für verlässliche Erntetechnik wird derzeit abgelöst von einer Phase des „Status Quo“: Ersatz und Erneuerung von Gebrauchtmaschinen.

Ernten, was gewachsen ist

Der Zucker, der auf dem Feld gewachsen ist und in den Fabriken wirtschaftlich gewonnen werden kann, soll möglichst vollständig gerodet und auf den Mieten – bis ans klimatisch Machbare – gelagert werden können. Zudem greift die fachliche Erkenntnis, dass der Rübenkopf – aufgrund züchterischer und anbautechnischer Fortschritte – heute deutlich weniger schädliche Nicht-Zuckerstoffe enthält und auch daraus effizient Zucker zu gewinnen ist. Daneben gilt es eine technische Antwort zu haben auf die rasante Ertragsentwicklung der Rübe im Anbau – es müssen immer größere Massen vom Feld bewegt werden.

Diese Zusammenhänge strahlen unweigerlich auf die Anforderungen der Ernte-Technik: bodenschonend, verlustarm, möglichst wenig Beschädigungen und (Schnitt-)Verletzungen, keine (grünen) Blattreste, leicht zu bedienen und dennoch kosteneffizient!

Ungeachtet der eigenen Brancheneinschätzung liegt damit ein noch größerer Kostendruck auf allen Bereichen der Erzeugung, aber insbesondere der Erntetechnik; immerhin rund 25 Prozent der Spezialkosten im Feld werden durch diese verursacht.

Sechs-, neun-, zwölfreihig

Beim allgemeinen Trend zur leistungs- und kostenorientierten, vollautomatisierten Mechanisierung in der Landwirtschaft geht der Rübenerntebereich weiter voran. Große selbstfahrende Maschinen, meist sechsreihig, immer öfter neunreihig und auch zwölfreihig und (zwischen-)bunkernd, sind mittlerweile das Maß und das weltweit. Was 1974/1975 mit den ersten sechsreihigen Köpfrodebunkern „Südzucker-Betaking 3000“ und dem „Holmer–System Paintner“ begann, wurde in den letzten Jahrzehnten und wird weiter perfektioniert. In Bezug auf die optimalen Reihenweiten/Standräume ist seither keine eindeutige Tendenz zu erkennen; ob (30) 45, 50, 56 oder 60 cm die beste ist, hängt von vielen anderen Faktoren im landwirtschaftlichen Betrieb ab. Jedoch muss ein Erntesystem imstande sein, 100.000 Pflanzen pro ha ordentlich zu roden mit – in den letzten Jahren besonders – zunehmenden Erträgen.

Weiterentwicklungen auf den Gebieten einer schonenden Behandlung der Zuckerrübe, eines geringen Erdanteils bei dennoch geringen Ernteverlusten - und das bei einem Maximum an Bodenschonung - erfolgen meistens nur noch bei den mehrreihigen, selbstfahrenden Maschinen, die die Ernte in Einmann-Arbeit erledigen. Zwölfreihige Versionen erfordern stets eine zusätzliche, ausgefeilte Abfuhrtechnik/-logistik auf dem Feld – die Bodenbelastung zu verringern, steht dabei aber immer im Fokus. Gezogene sechs-, acht- und zwölfreihige Varianten (Entblatter + Rodelader) haben sich lediglich in den großen Ebenen Nordamerikas und den Schwarzerde-Regionen Osteuropas gehalten, in denen es – witterungsbedingt - um maximale Schlagkraft innerhalb kürzester Zeit geht und die Transportbreite auf den Straßen keinen besonderen Auflagen unterworfen ist. Voraussetzung dafür sind weitgehend standardisierte Einsatzbedingungen (große, absolut ebene Flächen, einheitliche, humose, sandig-lehmige Böden …). Kleinräumige Unterschiede in Hangneigung, Bodenart, Flächenstruktur setzen dem Einsatz dieser einfach aufgebauten Maschinen schnell Grenzen.

Fahrer-Assistenz-Systeme

Innovationsmotor sind natürlich auch die veränderten Ansprüche in der äußeren Qualität der Rüben (Köpfschnitt/Ganzrübe) bei Biogasnutzung und Langzeitlagerung. Hohe Mobilität, Wendigkeit, schnelle Betriebsbereitschaft und Einsatzsicherheit sind Parameter für den effizienten Einsatz auf allen Flurstücksgrößen (mit/ohne Hangneigung). Der ergonomischen Bedienung und der Schulung des Bedienungspersonals in High-Tech-Fahrerkabinen gilt ein großes Augenmerk. Kameraüberwachung und Touch-Screen-Bedienung über/auf Monitoroberflächen verlangen höchste Aufmerksamkeit vom Fahrer, der für jede Automatisierung dankbar ist – Fahrer-Assistenz-Systeme sind nach wie vor der große Trend. Dies darf allerdings nicht den direkten Kontakt zu Boden und Erntegut verhindern, um beste Arbeitsqualität bei annehmbaren Bodenbedingungen im Blick zu behalten. Auch dafür sind Projekte angeschoben, um Hilfen für Befahrbarkeit und optimalen Einsatzzeitpunkt der Großmaschinen anzubieten. Um den hochkomplexen Ernteprozess gerade jenseits der Sechsreihigkeit zu vereinfachen, investieren die Maschinenhersteller viel Geld und Manpower in die Entwicklung von Fahrer-Assistenz-Systemen, von leistungsabhängiger Automatisierung bzw. von dafür nötigen, geeigneten Sensoren – oft auch firmenübergreifend in Kooperation mit der Wissenschaft.

Die Nutzung der neuesten Reifentechnologie mit Balance- und Wank-Stabilisierung bei zwei- und immer mehr dreiachsigen Maschinen erhöht die Einsatzflexibilität nicht nur im hängigen Gelände. In die gleiche Richtung zielen verlängerte, klappbare Bunkerausleger, um größere Mieten für 10-Meter-Mäuse aufzubauen ... oder ein Rodeaggregat, an dem die Rodewerkzeuge (Polderschare) einzeln aufgehängt sind und sich automatisch und unabhängig voneinander exakt an die (unebene) Bodenoberfläche anpassen. Gerade bei größeren Arbeitsbreiten dürfte diese Fähigkeit immer mehr geschätzt werden, bei zwölf Reihen ein Muss. Mit Blick auf das Gewicht werden zunehmend leichtere, aber gleich robuste Werkstoffe verbaut. Die Maschinen für Profis können mit Hilfe von Smartphones und/oder Tablet-PCs nicht nur (fern-)gewartet, sondern auch in der Einstellung optimiert werden (Telematik); das erspart Arbeitszeit, Kosten und erleichtert das Fahren.

Minimal-Köpfung oder Entblätterung

Die Entblätterung/Entblattung der Zuckerrüben durch zwei, alternativ in der Front angebaute Wellen mit Gummi- und Stahl-Schlegeln, deren Drehzahl und Arbeitshöhe individuell dem Bestand anzupassen sind, hat auch die Köpfarbeit mit dem Schleifkufen-Tastmesser zur Weiterentwicklung animiert. Parallel geben alle Hersteller mit Lösungen zur sogenannten „Minimalköpfung“ eine effiziente und kostengünstige Antwort auf das Schlegel-Entblättern. Diese Technik der Köpfung mit modifiziertem Schlagentblatten (Kombination von Gummi- und Stahl-Schlegeln auf einer Welle) wird auf etwa Dreiviertel der Maschinen gewünscht.

Entblattungs- und Minimalköpfungsverfahren haben sich in der Praxis etabliert; den Verhandlungspartnern in der Zuckerwirtschaft der Länder obliegt es, eine entsprechende „Zielrübe ohne Blattgrün“ vorzugeben …, die Technik hat die passende Antwort.

Die Entblätterung mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden Schlegel-Wellen im Frontanbau ist eine vollwertige Alternative am selbstfahrenden Köpfrodebunker sowohl für Rüben zur Biogas-Nutzung als auch in der Zuckerfabrik. In absetzigen Systemen (zum Beispiel in USA/RUS) wird der gezogene, dreiwellige Entblatter („Defoliator“) mit/ohne Nachköpfer vertrieben; dieser muss auch in der zwölfreihigen Ausbaustufe mit gleicher Geschwindigkeit gefahren werden können wie der separat gezogene Rodelader.

Logistik Rüben + Erde

Eine effiziente Rübenverarbeitung in den Zuckerfabriken (oder Biogasanlagen) setzt die Bewältigung enormer Warenströme voraus. Bei Kampagnelängen von 120 Tagen und mehr muss die Verladung der Rübenmieten rund um die Uhr stattfinden. Schlüsselposition nimmt dabei die (selbstfahrende) Verlademaus ein. Alle Hersteller haben den Schritt zur „10 m-Aufnahmebreite“ vollzogen – mit dem patentierten Unterschied des flexiblen Anstellwinkels des Aufnahmetisches.

Das verlangt natürlich eine Anpassung der Erntetechnik (aber auch der Aufnahmetechnik an den Reinigungsladern) sowie der Logistikketten, die mit den unterschiedlichsten Software-Programmen unterstützt und vernetzt sind. Hürde ist stets der Einsatz unter schwierigen, feuchten Bedingungen mit hohen Anteilen an nasser, klebriger Erde in den Mieten. Einige Hersteller gehen dazu über, nach der Rodegruppe sieben (statt sechs) Walzen in der Aufnahme arbeiten zu lassen, was 15 Prozent mehr Reinigungsfläche bedeutet. Beim Expertenstreit über die Vorteilhaftigkeit von Siebstern- und/oder Walzen-Reinigung gilt ebenfalls: Es kommt auf die Einstellung an!

Stationäre Ladegeräte stehen lediglich für Spezialnutzungen (mit Verleseband, für Großmieten) noch zur Verfügung – eine Weiterentwicklung findet bei diesen kaum noch statt.

Sauber und ohne Steine

Für den Lieferanten von Zuckerrüben in eine Zuckerfabrik ist mit der Vorreinigung und Bewertung der äußeren Qualität (vorwiegend der Erd-/Fremd-/Grün-Anteile) die Ernte abgeschlossen. Anders in/für die Biogasanlage: Je nach Standort und Boden bedarf es einer Trocken- oder Nassreinigung und vor allem Entsteinung. Mit wachsendem Interesse der Betreiber von Biogasanlagen bieten immer mehr etablierte Maschinenhersteller technische Lösungen für die entsprechende Aufbereitung dieser (Zucker-)Rüben. Das infrage kommende Verfahren wird bestimmt von der Art der Langzeitkonservierung des Rübenmaterials. Dabei hat sich die Ganzrübensilage aus Gründen der Minimierung der Verluste und Kosten durchgesetzt. Das Entsteinen stellt für alle Hersteller ein zentrales Thema dar, wobei einige je nach Bedarf noch Reinigungs- und Zerkleinerungsmodule verschiedener Leistungsklassen miteinander kombinieren und anbieten. Innovative kompakte Maschinen – im stationären oder mobilen Einsatznutzen dabei die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der Zuckerrüben, wie zum Beispiel die statische Auftriebskraft im Wasser; eine Rübenwäsche kann, muss aber nicht am Ende dieses Prozesses stehen.

Elektronik und Effizienz

Die Entwicklung der Technik für Zuckerrübenernte und -transport ist geprägt von einer umfassenden Nutzung der Elektronik für Regel- und Steuerfunktionen – sei es in die Zuckerfabrik oder bis zum Fermenter einer Biogasanlage. Die Touch-Screen-Technik soll den Maschinenführer weiter entlasten; Arbeitsschritte werden immer mehr automatisiert, um die Arbeitsqualität und Rüstzeiten bei wechselnden Fahrern im 24-Stunden-Einsatz zu halten bzw. zu steigern. Ein ganzes Paket an Vernetzungen können Hersteller bieten: Erntemanagement, sekundengenaue Video-Dokumentation des gesamten Arbeitsvorganges oder die Abfuhrlogistik mit der Zuckerfabrik/Biogasanlage. Der Abfuhrplan löst bei Rodegemeinschaft bzw. Lohnunternehmer – in Deutschland werden 95 Prozent der Fläche so geerntet – den Rodeauftrag aus, was nach getaner Arbeit wiederum die Basis für die anschließende mechanisierte Mietenabdeckung sowie die Abfuhr ist – und alles ohne händischen Eingriff bis hin zur Bereitstellung abrechnungsrelevanter Daten.

Strengere Auflagen für Abgaswerte in der EU (aktuell Abgasnorm Stufe Euro V) bedingen neue Motorentechnik (in der Regel mit AdBlue-Zugabe), was der Leistung nicht abträglich ist. Automotives Arbeiten mit immer geringeren Motordrehzahlen reduziert den Kraftstoffverbrauch und die Lautstärke bei immer leistungsfähigeren Maschinen.

Bodenschonung ist Trumpf

Der selbstfahrende Köpfrodebunker – meist sechs- und neunreihig, immer öfter auch zwölfreihig – setzt weltweit den Standard. Spurversetztes Fahren in drei- oder zweiachsigen Maschinen in Verbindung mit neuester Reifentechnologie oder mit Gurtband sorgt für ein effizientes, bodenschonendes Ernten und schafft „Luft“ im Einsatz für Schlechtwetterperioden im Herbst. Fortschritte in der Reifentechnologie (mit Reduzierung des Reifenfülldrucks auf 1,4 bar und damit Vergrößerung der Aufstandsfläche) kommen dem Boden zugute. Spurtreue, Seitenhangtauglichkeit und Gewichtsverteilung auf die Achsen sind in Kombination mit ausgefeilten (hydraulischen) Fahrwerkskonzepten verbessert. Nur noch in den weiten Ebenen Russlands und Nordamerikas halten sich einfache gezogene acht-/zwölfreihige Ernte-Systeme (mit separater Entblätterung), die ausschließlich auf Schlagkraft ausgelegt sind. Für den Zwischentransport auf dem Feld sind mittlerweile auch bei Köpfrodebunkern gezogene Überladewagen mit zum Beispiel. bodenschonenden Gurtbandlaufwerken gerade dort unterwegs, wo große Feldlängen und hohe Erträge dies erfordern.

Fazit und Ausblick

Bei der mit der Organisation der Rübenernte vernetzten Logistik der Rübenabfuhr spielt die „Maus“-Verladung eine Schlüsselrolle. In Ländern mit Vorreinigung am Feldrand gehört der selbstfahrende Reinigungslader vom Bautyp „Maus“ und mit 10 m-Aufnahme zum Standardverfahren. In Ländern mit großen Sammelmieten in der Flur (wie zum Beispiel Frankreich) ist die Walzenaufnahme durch einen Bunker ersetzt, der mit Radlader/Bagger beschickt wird. Nur noch für Sonderlösungen (vor allem Steine!) werden kleinere gezogene bzw. angehängte Maschinenvarianten entwickelt. Die Mechanisierung der Mietenpflege – vor allem auf Vlies-Basis – schreitet in Anbetracht längerer Kampagnen parallel voran. Die digitale Datenvernetzung von Saat, Anbau, Ernte, Mietenpflege und Transport sorgt für eine Optimierung der gesamten Prozesskette. Eine Stabilisierung bzw. Steigerung der Wettbewerbskraft der Rübe - für die Verwendung in der Zuckerfabrik oder Biogasanlage - durch technische Innovationen ist gegeben und bei globaler Betrachtung weiter nötig. Alle Maschinenhersteller sind mittlerweile in allen wichtigen Rübenanbauregionen der Welt aktiv. In der kostenintensiven Entwicklung sensorgesteuerter Automatisierung von Ernteaggregaten zur Entlastung des Fahrers werden Kooperationen mit externen Forschungsinstituten eingegangen. Die Botschaft für die guten Rübenanbauregionen der Welt heißt: Neueste Technik im Feld (mit bestens geschulten Fahrern) erhöht die Konkurrenzkraft des Zuckers aus Rübe wesentlich!

Quelle: DLG e.V.