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VDMA Landtechnik: Agrartechnikhersteller setzen auf langfristige Nachfrageimpulse

  • „Wachstumspause nach klassischem Muster“

  • Knapp 7 Milliarden Euro Umsatz aus deutscher Produktion für 2015 erwartet

  • Tiefpunkt scheint überwunden

Die europäische Agrartechnikindustrie behauptet sich in schwierigem Marktumfeld. „Nach einem mehrjährigen Höhenflug hat sich das Tempo auf den internationalen Landtechnikmärkten deutlich verlangsamt“, sagte VDMA-Geschäftsführer Dr. Bernd Scherer im Rahmen der Vorpressekonferenz zur weltgrößten Landtechnikmesse Agritechnica, die vom 8. bis 14. November 2015 in Hannover stattfinden wird.

Handelshemmnisse verursachen Bremsspuren

Branchenweit spreche man derzeit von einer „Wachstumspause nach klassischem Muster“, die in erster Linie „auf übliche Sättigungseffekte, aber auch auf die recht schwache Einkommenssituation der Landwirte“ zurückzuführen sei. „In einigen Ländern machen uns außerdem politische Instabilitäten sowie ein dezidierter Mangel an verlässlichen Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen“, so Scherer. Noch deutlichere Bremsspuren hinterließen Handelshemmnisse tarifärer wie nicht-tarifärer Art, „wie wir sie mit allen nachteiligen Konsequenzen seit mehreren Jahren aus Russland kennen“. Für 2015 kalkuliert der Branchenverband mit einem Umsatz aus deutscher Produktion von knapp 7 Milliarden Euro, was einem Rückgang um 10 Prozent entspräche.

Urproduktion wächst kontinuierlich

Die „langfristige Nachfrageentwicklung“ dürfte davon jedoch „kaum berührt werden“, sagte Scherer. Schließlich verzeichne die Urproduktion, deren Ertragsstärke aufs engste mit moderner Agrartechnik verbunden sei, dank weltweit steigender Nachfrage nach proteinreicher Nahrung und regenerativer Energie seit Jahren deutliche Wachstumsraten.

„Unter der Annahme konstanter Preise hat sich die globale Getreideproduktion innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte wertmäßig um 56 Prozent, das Schlachtaufkommen sogar um 106 Prozent erhöht“, betonte der langjährige Branchenkenner. In den nächsten Jahren sei angesichts der immensen Bedarfslage in den Schwellenländern mit weiteren signifikanten Zuwächsen zu rechnen.

Spitzenmanager verhalten optimistisch

Das Stimmungsbild in der Industrie zeigt sich aktuell verhalten optimistisch. Aus dem CEMA-Business-Barometer, einer monatlichen Befragung des Dachverbandes der europäischen Agrartechnikindustrie, lässt sich zwar ablesen, dass die Mehrheit der interviewten Spitzenmanager von einer anhaltenden Rezessionsphase spricht, allerdings wächst die Zuversicht in jüngster Zeit spürbar. Der Tiefpunkt scheint mittlerweile überwunden zu sein. So bewertete im August deutlich mehr als die Hälfte der Befragten die gegenwärtige Geschäftssituation mit der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“.

Ähnlich positiv sind auch die Erwartungen für die kommenden 6 Monate. Während ein Drittel von einer Stabilisierung des Status quo spricht, sehen immerhin 28 Prozent Wachstumspotentiale. Demgegenüber stehen allerdings nach wie vor 39 Prozent, die mit einem weiteren Minus rechnen.

Konjunkturtief erfasst die Weltproduktion

„Geographisch betrachtet, hat das derzeitige Konjunkturtief seit dem vergangenen Jahr nahezu die gesamte Weltproduktion von Landmaschinen und Traktoren erfasst. Wir gehen davon aus, dass der Produktionswert 2015 von 100 auf 91 Milliarden Euro absinken wird“, sagte Scherer. Besonders starke Rückgänge sind in Nord- und Südamerika sichtbar, wo sich die Fertigung wertmäßig um etwa 17 Prozent verringerte. Am anderen Ende der Skala mit deutlich geringeren Abstrichen in der Produktion liegen die asiatischen Standorte, allen voran China, das sich insgesamt als stabil bis leicht rückläufig erweist. Ungeachtet einer akut schwächelnden Volkswirtschaft bleibt das landwirtschaftliche Potential des Landes weiterhin hoch. Im Mittelfeld bewegen sich momentan die europäischen Fertigungsstätten für Landtechnik, die wertmäßig nach wie vor das Schwergewicht der Weltproduktion bilden. Für die Europäische Union lässt sich in diesem Jahr ein Durchschnittswert von minus 10 Prozent voraussehen. Deutschland, das sich in etwa auf diesem Level befindet, ist im globalen Vergleich allerdings immer noch hervorragend aufgestellt. „Wer die Bedeutung des Landtechnikstandortes Deutschland quantifizieren möchte, sollte sich vor Augen führen, dass wir in gut 150 Länder liefern, wobei rund 8 Prozent des weltweiten sowie 25 Prozent des europäischen Produktionswertes auf die hiesigen Fabriken zwischen Marktoberdorf und Buxtehude entfallen“, bemerkte Scherer.

Industrie passt Kapazitäten an

In einem globalen Marktumfeld, in dem sich Produktionsrückgänge über einen bestimmten Zeitraum verstetigen, sei „eine strikte Kostenorientierung geradezu zwangsläufig erforderlich“, so Scherer weiter.

Entsprechende Kapazitätsanpassungen, auch personeller Art, seien in den vergangenen Monaten vielerorts nicht zu vermeiden gewesen.

Reduziert würden personelle Kapazitäten in erster Linie im Bereich der Zeitarbeit, aus dem sich momentan etwa 7 bis 8 Prozent des Personalkörpers in der Landtechnikindustrie zusammensetzten. „An den Stammbelegschaften halten die Unternehmen in hohem Maße fest, bilden sie doch mit ihrer Expertise die Voraussetzung für Wertschöpfung, Qualität und Innovationserfolg in der nächsten Aufschwungphase.“

Globale Marktentwicklung bleibt heterogen

Auf den globalen Schlüsselmärkten für Agrartechnik zeigt sich Scherer zufolge ein gewohnt heterogenes Konjunkturbild. Während in den USA ein großes Überangebot an Gebrauchtmaschinen bestehe, das im Verbund mit massiv sinkenden landwirtschaftlichen Einkünften „zu einer regelrechten Investitionsbremse“ geworden sei, operiere China mit nur leichten Einbußen im Vergleich zum Vorjahr. Mit einem Marktanteil von 15 Prozent ist China mittlerweile der „drittwichtigste Landtechnikmarkt der Welt“. In den GUS-Staaten ist von einer andauernden Abwärtsbewegung die Rede, „wobei wir für dieses Jahr ein Minus von 25 Prozent sehen“, sagte Scherer.

Als „weltweiter Marktprimus“ werde die Europäische Union dagegen ihren Anteil am „internationalen Landtechnikkuchen“ auch in diesem Jahr behaupten können. Unter den großen Märkten Westeuropas habe das Vereinigte Königreich prozentual den stärksten Rückgang zu verzeichnen, zumal es 2014 noch mit einem Plus von 5 Prozent gewachsen sei. Frankreich als größter europäischer Agrarmarkt und nach wie vor wichtigstes Exportland der deutschen Landtechnikindustrie scheint dagegen die Talsohle bereits durchschritten zu haben, weshalb noch in diesem Jahr „mit einer leichten Erholung gerechnet werden darf“, betonte Scherer. In Zentraleuropa, vor allem in Polen und Tschechien, sei ein ungewöhnlich stabiler Markttrend zu beobachten, der insbesondere in Polen durch staatliche Zuschüsse forciert werde. Großen Nachholbedarf sieht der VDMA zurzeit in einigen Ländern des Mittelmeerraums – am deutlichsten in Italien, wo sich in den Vorjahren ein erheblicher Investitionsstau aufgebaut habe. In Deutschland fährt man hingegen weiter „auf Sicht“ – die Investitionsplanungen liegen rund 15 Prozent unter Vorjahr, wobei diese Dimension, so Bernd Scherer, „immer im Verhältnis zu dem sehr hohen Niveau der vergangenen Jahre gesehen werden muss“.

Quelle: VDMAConstruction Equipment and Plant Engineering