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XLPE-Gleichstromkabel für mehr als 500 kV - ein wichtiger Baustein für die Energiewende

Neuentwicklung mit hoher Leistungsdichte ermöglicht das Übertragungsnetz der Zukunft mit Hochspannungs-Gleichstrom-Freileitungen und Teilverkabelungsstrecken

Eine der Herausforderungen, die die Energiewende bereithält, sind die neuen Aufgaben, die das Übertragungsnetz künftig übernehmen muss. Um diese so effizient wie möglich zu bewältigen, ist unter anderem auch der Neubau von mehr als 2.000 Trassenkilometern für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) geplant, die in vielen Fällen auch sensible Umweltbereiche oder Wohnbebauung passieren. Das von ABB entwickelte kunststoff-isolierte-Gleichstromkabelsystem für Spannungen bis 525 Kilovolt (kV) weist eine so hohe Leistungsdichte auf, dass erstmals ein Kabelsystem ungefähr die gleiche Leistung übertragen kann, wie ein Freileitungssystem.

Die Energiewende in Deutschland hat eigentlich bereits im Jahr 2000 mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) begonnen. Jedoch hat sie durch die Entscheidung nach der Katastrophe von Fukushima, alle Kernkraftwerke in Deutschland bis 2022 abzuschalten, erst richtig Fahrt aufgenommen. Seitdem ist klar, dass vor allem in den industriellen Leistungszentren Süddeutschlands massive Veränderungen der Erzeugungsstruktur innerhalb kürzester Zeit kompensiert werden müssen.

Neben dem Neubau von fossilen Kraftwerken, der jedoch mit den heutigen Marktmechanismen kaum realisierbar erscheint, ist die Verstärkung des Stromübertragungsnetzes zum großräumigen Ausgleich von Erzeugungs- und Verbrauchsschwankungen ein probates Mittel. Dies ist auch entsprechend im Bundesbedarfsplangesetz durch die Bundesregierung dokumentiert worden. Mit dem Neubau von drei HGÜ-Korridoren mit Übertragungsdistanzen von 400 bis 800 Kilometern (km) sollen diese Schwankungen überregional ausgeglichen werden. Für die Realisierung der Verbindung zwischen den Netzanschlusspunkten dieser Korridore sollen dabei hauptsächlich Freileitungen zum Einsatz kommen, in einzelnen Abschnitten können aber auch Kabel verwendet werden.

Die mehr als 2.000 km Neubaustrecken in HGÜ-Technologie verlaufen dabei in vielen Fällen auch durch sensible Umweltbereiche oder passieren Wohnbebauung in geringer Entfernung. Wo dies möglich ist, ziehen die Übertragungsnetzbetreiber in ihre Planung auch alternative Routen ein, in denen diese Bereiche großräumig umgangen werden. Dort wo dies nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich ist, ist vom Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen worden, Teilstrecken mit Erdkabeln zu realisieren.

Bisher wären solche Kabelabschnitte mit klassischen Öl-Papier isolierten Kabeln (sogenannte MI, das heißt „masse-imprägnierte“ Kabel) realisiert worden, da für die angedachten Übertragungsspannungen von 400 bis 500 kV im Gleichstrombereich keine modernen kunststoff-isolierten Kabel zur Verfügung standen. Je HGÜ-Korridor mit 2 Gigawatt (GW) Übertragungsleistung musste dabei mit zwei Kabelsystemen, das heißt insgesamt vier Einleiter-Kabeln geplant werden, so dass durch die Trassenbreite von bis zu 40 Metern (m) relativ hohe Tiefbaukosten entstanden wären. Der interne Bleimantel und eine äußere Stahlarmierung machen die MI-Kabel sehr schwer, wodurch es außerdem bei der Verlegung ein ausgeklügeltes Logistikkonzept für die Schwertransporte bräuchte. Auf eine Kabeltrommel passen dabei standardmäßig jeweils nur etwa 500 m, wobei die einzelnen Kabelabschnitte mit vor Ort gefertigten Muffen verbunden werden müssen. Das Anbringen dieser Muffen ist bei MI-Kabeln sehr aufwändig und erfordert jeweils etwa eine Woche.

ABB hat im August 2014 ein kunststoff-isoliertes (oder: XLPE-) Kabelsystem für Gleichspannungen bis 525 kV vorgestellt, mit dem einige Nachteile der Kabeltechnik gegenüber der Freileitung minimiert werden. Das höchste Spannungsniveau, das bei dieser Technologie derzeit in kommerziellen Anwendungen zum Einsatz kommt, liegt bei 320 kV – somit wurde eine Steigerung um 64 Prozent erreicht. In Deutschland haben sich so beispielsweise für den Anschluss von Offshore-Windparks kunststoff-isolierte Kabelsysteme mit 320 kV als Standard etabliert, ABB hat allein in Norddeutschland 360 km Landkabel und in der Nordsee 240 km Seekabel installiert. Die Übertragungskapazität kann bei dieser Spannungsebene bis zu 1.200 Megawatt (MW) betragen.

Mit dem neuen 525 kV-Kabelsystem konnte die Übertragungskapazität auf bis zu 2.600 MW mehr als verdoppelt werden und gleichzeitig das Gewicht je installiertem Megawatt reduziert werden. Die Steigerung der Übertragungsspannung beruht dabei auf einem neuen Isoliermaterial aus vernetztem Polyethylen, das gemeinsam mit einem führenden Hersteller von Kunststoffen entwickelt wurde. Das innovative HGÜ-Kabelsystem wurde bereits erfolgreich getestet. Es steht damit ab sofort ein komplett geprüftes Kabelsystem zur Verfügung, das zusätzlich bereits den vorgeschriebenen Langzeittest für neue Kabelsysteme bestanden hat. Dabei wurde das Kabel selbst, Kabelmuffen und Kabelendverschlüsse innerhalb eines Testaufbaus in einem Testlabor und unter der Aufsicht eines unabhängigen Gutachters für mehr als ein Jahr einem aufwändigen Testprogramm unterzogen. Damit ist die Zuverlässigkeit des Kabels und der Komponenten (Kabelmuffen, Kabelendverschlüsse) entsprechend der relevanten technischen Normen nachgewiesen. ABB bietet dieses Kabel ab sofort mit den gleichen Gewährleistungen wie die bisherigen Kabel am Markt an.

Für die deutschen HGÜ-Korridore steht damit ein Erdkabel zur Verfügung, mit dem bis zu 2,6 GW je Kabelsystem übertragen werden können, das heißt je HGÜ-Korridor mit 2 GW Übertragungsleistung reicht ein Kabelsystem (mit nur zwei Einleiter-Kabeln). Damit halbiert sich die Trassenbreite und da im Vergleich zu den MI-Kabeln auch nur halb so viele Kabel verlegt werden müssen, sinken sowohl die Tiefbau- als auch die Logistikkosten. Zusätzlich wiegen die Kabel nur rund die Hälfte, wodurch die Länge der einzelnen Kabelabschnitte mehr als verdoppelt werden kann (auf etwa 1.200 m je Kabeltrommel) und damit auch nur die Hälfte an Muffen gesetzt werden muss. Für kunststoff-isolierte Kabel können die Muffen bereits in der Fabrik vorgefertigt werden, so dass vor Ort je Muffe nur etwa zwei Tage Montagezeit benötigt werden. Zusätzlich können bei der Produktion der kunststoff-isolierten Kabel in der Fabrik Zeiteinsparungen erzielt werden, so dass mit den gleichen Produktionsmaschinen mehr kunststoff-isolierte Kabel produziert werden können.

Für die HGÜ-Trassen konnten bisher schon Teilverkabelungsstrecken mit 500 kV-MI-Kabeln geplant und realisiert werden, durch das von ABB entwickelte 525 kV-XLPE-Kabelsystem sind nun jedoch zusätzliche Effizienzvorteile möglich. Gegenüber den klassischen MI-Kabelsystemen ergeben sich erhebliche Ressourcen, Kosten- und Zeiteinsparungen, sowohl in der Produktion als auch in der Installation.