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Organische Elektronik – so leicht und doch so schwer

Die Weiterentwicklung gedruckter Elektronik schreitet unaufhaltsam voran. Diese überaus attraktive Technologie ergänzt klassische Silizium-Mikroelektronik durch dünne, leichte und flexible Anwendungen wie kostengünstige Datenspeicher, flexible Displays und gedruckte Batterien. Auf dem Weg zu etablierten Prozessen sind allerdings noch ein paar Hürden zu nehmen.

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Die organische und gedruckte Elektronik ermöglicht etliche neue Anwendungen und ist mit einigen Produkten bereits erfolgreich am Markt etabliert. Viele weitere Anwendungen stehen an der Schwelle von Laboraktivitäten und Prototypen zur Produktion. „Die flexible Elektronik hält Einzug in zahlreiche Produkte des täglichen Lebens, oftmals unbemerkt vom Anwender", umreißt Wolfgang Mildner, Geschäftsführer von PolyIC, den Stand der Technik. Sie sei auf dem Wege, der Mikroelektronik neue Anwendungsfelder zu erschließen, erläutert Mildner: Als die mittelfristig größten Wachstumsfelder gelten nach wie vor die organische Photovoltaik, Touch-Sensoren, flexible Displays und OLEDs als Beleuchtung oder als TV- und Tablet-Displays sowie Datenspeicher und Schaltkreise.

Auch in der Automobilindustrie wird die Akzeptanz für organische Elektronik größer. Stephan Berlitz, Leiter der Lichtfunktionen/Innovationen bei Audi, beschreibt die mit dem Forschungsprojekt „OLED-3D“ realisierte Vision: „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Lösungen. Als erste OLED-Komponenten könnten sich Rückfahrscheinwerfer etablieren." Die auf der LOPEC 2013 vorgestellte 3D-OLED-Rückleuchte tritt den Beweis an, dass diese Technik den Auto-Designern neue Möglichkeiten eröffnet. Schon heute begeistern große Freiformscheinwerfer mit konventionellen LEDs, deren Oberfläche dreidimensional in die Karosserieform eingepasst ist. „In Zukunft werden Scheinwerfer und Kotflügel ineinander übergehen und nicht mehr als separate Anbauteile definierbar sein“, ist sich Berlitz sicher.

„Red Brick Walls“ überwinden
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte erzielt, die sich auf der LOPEC, der internationalen Leitveranstaltung für gedruckte Elektronik, widerspiegeln. Die Messe reflektiert die zunehmende Attraktivität organischer Elektronik. Sie konzentriert sich auf einsatzfähige integrierte Systemlösungen und richtet sich dabei an die industriellen Endanwender. Gleichzeitig zeigt sie die gesamte Wertschöpfungskette und bietet Anlagenbauern eine große Plattform. Beispielsweise mit der „LOPEC Demo Line“: Besucher können sich live an der Fertigungsstraße einen Überblick über den kompletten Produktionsablauf zur Herstellung von gedruckter Elektronik verschaffen. Die Demo Line ist eine Kooperation von OE-A-Mitgliedern und wird vom Fraunhofer ENAS koordiniert. Die Produktion zeigt auch, dass in der Fertigung organischer Elektronik noch einiges an Optimierungspotential schlummert.

Durch die Kombination von Druckverfahren mit neuen funktionalen Materialien lassen sich sehr kostengünstige elektronische Produkte herstellen. Für komplexere Anwendungen sind leistungsfähigere Materialien und auch präzisere Herstellungsprozesse nötig. „Dabei handelt es sich um ein komplexes Wechselspiel von Material, Device-Architektur und Prozessen“, erklärt Wolfgang Mildner von PolyIC. Für ihren Einsatz als gedruckte Elektronik müssen Polymere sehr homogen in mehreren Lagen auf flexible Träger gedruckt werden. Diese Anforderungen gehen über die des graphischen Drucks weit hinaus. „Spezielle Anforderungen erfordern eine tiefe, intensive Zusammenarbeit zwischen kompetenten Materialherstellern und den späteren Produzenten“, erläutert der Experte.

Durch die komplexen Zusammenhänge sind die Herausforderungen nach wie vor groß, weshalb die aktuelle Ausgabe der OE-A-Roadmap von so genannten „Red Brick Walls“ spricht – also einer ziemlich hohen Hürde, die es zu überwinden gilt. Allgemein kritisch sind Massenfertigungsverfahren kleiner Strukturen mit einer Auflösung von weniger als 10 μm genauso wie eine zuverlässige Kontrolle der Schichtdicke und des Trocknungsverhaltens. Ein weiterer Aspekt sind die Umgebungsbedingungen, unter denen die organische Elektronik hergestellt wird: Die erfolgt zumeist unter Reinraumbedingungen oder Schutzgasumgebung. Vor allem aber bereitet die Registrierung noch Kopfzerbrechen: Verschiedene Schichten der elektronischen Funktionsmaterialien werden mit großer Präzision strukturiert aufeinander abgelegt. Dabei muss die daraus resultierende Überlappung der Strukturen durch eine exakte Kontrolle sichergestellt werden.

Doch auch hinsichtlich der verwendeten Materialien gibt es noch offene Fragen: Die organische Elektronik basiert nicht nur auf leitfähigen Polymeren, sondern auch auf Polymeren mit Halbleitereigenschaften oder kleineren Molekülen der organischen Chemie. Hersteller wie Heraeus Precious Metals, Electronic Materials Division, entwickeln und produzieren leitfähige Polymere, die als elektrische Funktionsschichten immer mehr Anwendungsfelder im Alltag finden. Jene nanoskaligen Funktionsmaterialien müssen immer mehr ihre Temperaturbeständigkeit und ein optimales Verhalten bei mechanischem Stress unter Beweis stellen. Das führt auch zu höheren Anforderungen an die Prüftechnik und der optischen Qualitätssicherung.

Den Hebel, der die Produktionskosten senkt, hält indes die Druckindustrie mit in der Hand: Drucktechnologien mit sehr hohem Durchsatz sorgen hierbei für niedrige Kosten, statt der im klassischen Druck verwendeten Farbtinte kommen organische und druckbare Funktionsmaterialien zum Einsatz. Hohe Präzision und Genauigkeit ist bei der Fertigung essenziell. Beispielsweise ist der Druck, mit dem die elektrisch leitenden Polymere aufgebracht werden, entscheidend für die Funktionstüchtigkeit und Zuverlässigkeit des Endprodukts. Zwar wurden gerade in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, dennoch sind noch einige Hürden zu nehmen. So gibt es bislang keine Standardprozesse. Je nach Anwendung, Material und Schichtaufbau muss das geeignete Druckverfahren gewählt und optimiert werden. Hier kommen zum Beispiel Tief-, Flexo-, Tintenstrahl-, Sieb- und Offset-Druckverfahren zum Einsatz, die je nach Anforderung für die einzelne Schicht und Struktur entsprechend zu kombinieren sind.

Integrierte Verfahren für Massenfertigung
Die Entwicklung geht klar in Richtung integrierte Systeme, ist Thomas Kolbusch, Vice President von Coatema, überzeugt. Konkret bedeutet dies, dass künftig neben den klassischen Druckverfahren auch immer mehr bekannte Verfahren aus der klassischen Halbleiterfertigung in die Produktion organischer Elektronik mit einfließen werden. Das sind zum Beispiel das Nano-Imprinting, die Laserstrukturierung, das optische Lithographieverfahren wenn auch im Rolle-zu-Rolle-Verfahren. „Die Herausforderung besteht darin, diese Prozesse präzise zu vereinen und zwar in der gleich hohen Geschwindigkeit für alle Rolle-zu-Rolle-Verfahren und mit einem möglichst hohen Yield“, summiert Kolbusch die Anforderungen. „Integrierte Fertigung“ heißt also die Marschrichtung an der sich künftig messen lässt, ob der organischen Elektronik der Schritt in die Massenfertigung auch bei anspruchsvollen Produkten gelingen wird.

Die für die Herstellung organischer Solarzellen extrem dünnen Schichtdicken stellen sehr hohe Ansprüche an die Beschichtungsgenauigkeit in Längs-und Querrichtung. Meist kommt für die Applikation dünner Schichten die Schlitzdüsentechnologie zum Einsatz. Die Herausforderung besteht darin, dass sowohl der Austrittsspalt der Düse als auch der Abstand zwischen Düse und Substrat an diese entsprechend dünneren Schichten angepasst werden muss. „Das Produkt ist das Maß aller Dinge“, betont Andrea Glawe, Entwicklungsleiterin von Kroenert. Es entscheidet über die zu applizierende Schichtdicke, die Verarbeitungseigenschaften des Beschichtungsrohstoffs, den Trocknungs- und Vernetzungsprozess und schlussendlich auch über das Handling des Substrats, ergänzt sie: „Die ‚Kunst‘ besteht nun darin, nicht nur das Produkt, sondern auch die prozesstechnischen Schritte so genau zu kennen, dass sich auf dieser Grundlage das bestmögliche Beschichtungsanlagen-Layout definieren lässt.“ Dabei bilden theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen eine unverzichtbare Grundlage, die durch zusätzliche Beschichtungsversuche kontinuierlich erweitert wird.

Anforderungen bestehen hinsichtlich der Automatisierungstechnik, vor allem in der präzisen Regelung unterschiedlicher Prozesse innerhalb einer Maschine. Damit steigen die Anforderungen an die Steuerungs- und Regelungstechnik. Insbesondere Bahntransport und Prozesseinheiten müssen perfekt synchronisiert sein, so dass eine genaue Bahnspannung eingehalten werden kann. Ein weiterer anspruchsvoller Bestandteil des Rolle-zu-Rolle-Verfahrens ist der Vakuumbereich zum Aufdampfen oder Versiegeln von Materialien. Das Substrat muss sowohl frei von Partikeln als auch frei beweglich unter Vakuum-Bedingungen transportiert werden, so dass Kabel oder Elektronik den Prozess nicht stören. „Die Automatisierungstechnik ist ein wesentlicher Faktor, um die Prozesse zuverlässig und dennoch kostengünstig zu realisieren“, bekräftigt Lucas Wintjes, Leitung Vertrieb und Branchenmanagement Fabrikautomation der Business Unit Industrial Applications von Bosch Rexroth.

Wegweiser in die Zukunft
„Die organische und gedruckte Elektronik ist eine Zukunftstechnologie, die im Weiteren alle Wirtschaftszweige beeinflussen wird“, ist Dr. Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe München überzeugt. „Die gedruckte Elektronik beschäftigt Forschungsinstitute und Unternehmen aller Branchen weltweit.“ Für Deutschland und Europa böte diese Technologie die seltene Chance, in einem Bereich der Elektronikproduktion wieder eine führende Rolle einzunehmen, merkt er weiter an. Dies gilt für zahlreiche große Wirtschaftszweige: Chemie, Maschinenbau, Druck und Verpackungsindustrie, Logistik, Konsumgüter sind hier beispielhaft zu nennen. „Die organische und gedruckte Elektronik hat daher große Bedeutung für die Sicherung von Arbeitsplätzen in etablierten Branchen wie auch in der Schaffung neuer Jobs durch das Entstehen einer neuen Branche.“

Diesen Trend sieht auch der Verband OE-A (Organic and Printed Electronics Association): „Die organische und gedruckte Elektronik entwickelt sich mit stabilem Wachstum", bestätigt Dr. Klaus Hecker, Geschäftsführer der OE-A. Die Facetten der Technologie seien zu unterschiedlich, als dass sie von einer einzelnen Anwendung getrieben werden könnten. Was mit organischer und gedruckter Elektronik bereits machbar ist und was in Zukunft möglich sein wird, zeigt die fünfte Ausgabe der Roadmap der OE-A. Ihr Ziel: Industrie, Forschung und Politik eine gemeinsame Planungsgrundlage zu geben. Diese Roadmap zeigt die Sichtweise der Mitglieder der OE-A. Mehr als 250 Experten haben an der fünften Ausgabe mitgewirkt. Die Roadmap teilt die Anwendungsgebiete der organischen und gedruckten Elektronik in fünf Bereiche ein: organische Photovoltaik, flexible Displays, OLED-Beleuchtung, Elektronik und Komponenten sowie Integrated Smart Systems. Sie gibt auch einen Überblick über verwendete Materialien und Substrate genauso wie Drucktechnologien. Die OE-A-Experten haben alle bisher existierenden Anwendungen und Technologien analysiert und daraus die Trends der Branche abgeleitet. Dabei haben sie auch herausgefunden, was die größten Herausforderungen sind. „Die Branche ist jung, aber sie entwickelt sich derzeit zu einer eigenen Industrie. Deshalb gilt es, zügig die so genannten ‘Red Brick Walls‘ zu überwinden, um weitere Anwendungen in die Massenproduktion zu überführen“, resümiert Hecker.

Quelle: Messe München; IFAT