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Was passiert eigentlich mit meinen alten Reifen?

Abgefahren. Egal ob rasant, sportlich oder defensiv, irgendwann ist es so weit: Die Autoreifen sind abgefahren. Nach etwa 40.000 Kilometern – sagt eine Daumenregel. 650.000 Tonnen Altreifen fallen so jährlich in Deutschland an. Ein ganz schöner Berg an schwarzen, runden Dingern. In den Haus- und Sperrmüll dürfen die abgefahrenen Reifen nicht, sie gelten als Verbundstoffe und müssen gesondert verwertet werden. Eine spezielle Industrie kümmert sich in Deutschland um das Thema: Die Altreifenentsorger trennen und verwerten die Rohstoffe, verkaufen die Reifen als Brennstoff, bereiten sie wieder auf oder exportieren sie. Gut für die Umwelt, denn die Entsorger vermeiden so jährlich einen großen Haufen schwarzen Müll und führen die abgefahrenen Reifen in den Wertstoff-Kreislauf zurück. Und mal ehrlich: Wie ärgerlich (und illegal) ist es, wenn abgelegene Waldstraßen zu Reifendeponien werden?

Schreddern, verbrennen, granulieren

Wer schon mal einen brennenden Autoreifen gesehen hat, kann sich kaum vorstellen, dass sich alte Pneus auch als kontrollierter Brennstoff eignen: es rußt, qualmt und stinkt fürchterlich, der Brand schwelt oft stundenlang. Das liegt an dem hohen Erdöl-Anteil. Und übrig bleibt oft nur Ruß, Schlacke und etwas Metall. Klingt nicht sehr hochwertig, doch gerade dieser hohe Erdölanteil macht die alten Reifen interessant für die Zementindustrie. Potentiell mehr Energie als Kohle kann aus den abgefahrenen Pneus gezogen werden. Hinzu kommt die Karkasse aus Stahl: Sie dient als Ersatz für das sonst benötigte Eisenerz in der Zementproduktion. Altreifen werden in der Zementindustrie meist in geschredderten Formen dem Verbrennungsprozess hinzugeführt. Sie erzeugen Temperaturen über 1.000 Grad und so wird aus Kalkstein, Ton und Eisenerz der begehrte Baustoff Zement.

Ein neuerer Weg der energetischen Verwertung ist die Pyrolyse. Hier wird das zuvor erstellte Gummimehl kontrolliert erhitzt und in seine chemischen Einzelteile zerlegt. Dabei entsteht wiederverwertbares Öl und Ruß. Die frei werdenden Gase dienen zur Beheizung der Anlage. Eine runde Sache für die Umwelt also.

Alte Reifen, neuer Lauf

Ein anderer Weg ist die Verwertung der Sekundarrohstoffe zu weiteren Produkten. Die alten Reifen werden geschreddert und zu Granulat oder Gummimehl gemahlen.

Eingeschmolzen und mit anderen Werkstoffen gemischt bereiten Unternehmen Oberflächenbeschichtungen aus den Pneus. Sportanlagen, die gute alte Tartan-Bahn oder Kunstrasen von Fußball-Plätzen können mit dem Granulat produziert werden. Aber auch für den Straßenbau ist der recycelte Stoff interessant: Spezielle Mischverfahren mit Asphalt sorgen für eine Dämpfung der Straße und somit für weniger Lärm. Auf Autobahnen kann eine Geräuschreduzierung mittels Beimischung von Gummigranulat von bis zu fünf Dezibel erreicht werden. Alte Reifen als ein kleiner Beitrag zu ruhigerem Straßenverkehr.

Nicht nur im Außenbereich kommen Altreifen zum Einsatz – Alltagsprodukte wie Küchengeräte, Kugelschreiber oder Springseile können aus recycelten Autoreifen hergestellt werden. So bleiben die wichtigen Naturprodukte im Wertstoff-Kreislauf, schonen die Umwelt und sparen Ressourcen.

Aus alt mach neu

Natürlich können alte Reifen auch wieder aufgearbeitet werden. Die Runderneuerung wird vor allem bei Lkw-Reifen und Pneus für die Erdbewegung und Landwirtschaft angewendet. Hierbei wird die alte Karkasse, der Unterbau des Reifens, mit einer neuen Lauffläche, einem Profilstreifen, bestückt. Heraus kommt ein (fast) neuer Reifen, mit den gleichen Fahreigenschaften und fast der gleichen Haltbarkeit wie bei einem Neureifen.

Nahezu 50 Prozent der Nutzfahrzeugreifen, die im Einsatz sind, sind runderneuert. Das spart pro Reifen bis zu 70 Prozent Energie ein. Und dann gibt es noch die Möglichkeit des Weiterverkaufs. Geeignete gebrauchte Reifen mit noch ausreichend Restprofil werden in andere Länder exportiert, in denen nicht so hohe Sicherheitsstandards wie in Deutschland gelten, oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit einfach geringer als auf deutschen Autobahnen ist. Oft lassen die Straßenverhältnisse in diesen Ländern keine hohen Geschwindigkeiten zu. Manch ein Reifen bekommt so auf Afrikas Sandpisten ein zweites Leben.

Upcycle – mach was Neues aus den alten Reifen

Ein relativ neuer Trend bei uns ist das Upcyclen. Auch alte Reifen können einer neuen Bestimmung zugeführt werden: Als Sitz für eine Schaukel, als Bumper um in der Garage das Auto vor Kratzer zu schützen, als Pflanzkübel oder mit Zement gefüllt als Sonnenschirmständer. Aufgepasst: Seit einiger Zeit dürfen in Deutschland alte Reifen nicht mehr auf öffentlichen Kinderspielplätzen verbaut werden. Die Reifenteile seien zu schwer und könnten, wenn sie abgerissen werden, Kinder verletzen.

Nicht versenken!

Von dieser Vorschrift kann man nun halten, was man will; eine Verwendungsmöglichkeit für Altreifen funktioniert jedenfalls nicht, wie man am amerikanischen Osborne-Riff gelernt hat: 1970 wurden vor der Küste Floridas zwei Millionen alte Autoreifen versenkt, um ein künstliches Riff im Meer zu schaffen. Doch keine Meerestiere, Korallen oder Pflanzen siedelten sich hier an, Reifen rissen sich bei Hurrikanen los und wurden an die Strände geschwemmt, Karkassen erodierten und zerstörten natürlichen Lebensraum. Das Projekt endete in einem Fiasko und zeigte mal wieder: Altreifen gehören nicht in die Natur, den Hausmüll oder auf Mülldeponien, sondern sollen fachgerecht von einem Experten entsorgt werden, damit sie auch im zweiten Dasein eine sinnvolle Aufgabe erfüllen können.